Pressemitteilung vom 14. Mai 2025

Gerichtsprozess über Meinungsfreiheit: Wer darf die Polizei kritisieren?

Pressekonferenz

Hiermit laden wir Sie herzlich zu einem Pressestatement vor der Urteilsverkündung am 22. Mai 2025 online um 9 Uhr ein (Den Link erhalten Sie nach einer Anmeldung unter info@initiative-2mai.de). Anwesend sind Emrah D. - Beklagter, Dr. Björn Elberling - Rechtsanwalt und Chana Freundlich - Initiative 2. Mai Mannheim.

Wir laden Sie auch nach dem Prozess am 23. Mai 2025 vor dem Landgericht Mannheim (A1, 1 in 68159 Mannheim, Saal 5, Prozessbeginn 10 Uhr) ein. Statement des Beklagten Emrah D. zum Ablauf und Inhalt der Verhandlung – voraussichtlich ab ca. 10:45 Uhr.

Pressemitteilung

Am 23. Mai 2025 steht Emrah D. vor dem Mannheimer Landgericht (10 Uhr, Landgericht Mannheim, Saal 5). In einem Interview mit einer türkischen Zeitung sprach er von seinem Unverständnis darüber, dass sein Freund Ertekin Özkan einen Tag vor Weihnachten am 23. Dezember 2023 mit vier Schüssen in den Oberkörper während eines Polizeieinsatzes starb. Emrah D. wird ein Post auf Instagram vorgeworfen in dem unter anderem steht:

„Eine Person mit 4 Kugeln hinzurichten ist unethisch, sogar unehrlich.
#wievielenoch #mannheim #schönau #polizeigewalt".

Ertekin Özkan hatte eine psychische Krise. Drei Familienangehörige mussten den tödlichen Polizeieinsatz mitansehen. Sie wollten ihn beruhigen, wurden aber aus sicherheitsbedenken von den Beamten nicht durchgelassen. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Schützen wurde eingestellt. Die neunzehn jährige Tochter sagte am 29. Dezember 2023 dem SWR gegenüber, dass der Polizei bekannt gewesen sein müsste, dass ihr Vater an einer psychischen Erkrankung litt, da in diesem Zusammenhang schon oft die Polizei mit ihnen in Kontakt stand. Auch sie erhielt eine Unterlassungsandrohung, weil sie öffentlich sagte, dass sie den Tod ihres Vaters als Mord wahrnehme.

Emrah D. kämpft nun vor dem Amtsgericht für die Meinungsfreiheit, sagt er. Ein Strafverfahren wurde bereits eingestellt, weil kein Tatverdacht vorliegt. Nun versucht der Schütze Schmerzensgeld in Höhe von 600 Euro per Zivilverfahren geltend zu machen. „Tragen wir die Meinungsfreiheit zu Grabe?“ lautet die Kampagne der Initiative 2. Mai Mannheim, die Emrah D. unterstützt. Sie steht namentlich für die Erinnerung an Ante P., der ebenfalls während einer psychischen Krise am 2. Mai 2022 in Mannheim während eines Polizeieinsatzes verstarb. Die Initiative ruft zur Prozessbeobachtung auf und kündigt eine Kundgebung am gleichen Tag auf dem Marktplatz an (23. Mai 2025, 16 Uhr).

Die Initiative 2. Mai Mannheim stand zuletzt ebenfalls unter Druck wegen Unterlassungsandrohungen, da sie u.a. im Internet schrieb, dass zwei Polizeibeamte Ante P. „getötet“ hätten. Die Initiative sieht hierin ein strategisches Vorgehen gegen politische Partizipation. Ein Phänomen namens „Strategic Lawsuits Against Public Participation“, dass laut Menschenrechtskommission des Europarats zugenommen hat. Es seien ihnen fünf Klageandrohungen bekannt zu den beiden Todesfällen, sagte die Initiative 2. Mai Mannheim.

„Wie kann es sein, dass schätzungsweise 75% der Opfer von Polizeigewalt eine psychische Krise haben? Wieso sieht die Politik keinen Anlass zum Handeln?“.

In der Ausstellung „Zwei Menschen in psychischer Krise, zwei tödliche Polizeieinsätze“ im Katholischen Citypastoral Mannheim (3. Mai-24. Mai) erläutert die Initiative 2. Mai Mannheim psychische Diagnosen und die körperlichen Auswirkungen. Dem gegenüber stellen sie die beobachteten Reaktionen in Polizeieinsätzen in Deutschland. Wenn der Polizei nicht Folge geleistet wird in einem psychischen Ausnahmezustand, woran liegt das? Auf einem tabellarischen Plakat im Schaufenster des Katholischen Citypastoral werden die Auswirkungen verschiedener Ausnahmezustände geschildert: Beispielsweise Handlungsunfähigkeit oder neurologische Bewegungsblockade. Dies würde in Polizeieinsätzen möglicherweise als Widerstand gegen die Staatsgewalt, gefährliche Köperhaltung oder u.a. Unberechenbarkeit umgedeutet werden, heißt es.

Initiative 2. Mai Mannheim:

„Polizeigewalt ist kein Einzelfall. Wir versuchen mit anderen Initiativen auf diese Problematik seit Jahren aufmerksam zu machen. Eine Studie an der Ruhr- Universität Bochum zählt mindestens 12.000 Fälle illegaler Polizeigewalt pro Jahr. Wie viele müssen noch sterben? Wieso starb kürzlich Lorenz in Oldenburg?“

Dr. Björn Elberling, Rechtsanwalt von Emrah D.:

„In einer demokratischen Gesellschaft muss es die Polizei als Trägerin des staatlichen Gewaltmonopols aushalten, dass ihr dienstliches Verhalten kritisiert wird, auch scharf kritisiert wird. Das gilt erst recht, wenn polizeiliches Handeln zum Tode von Menschen führt – völlig unabhängig davon, ob Polizeibeamt*innen dafür strafrechtlich verantwortlich gemacht werden oder nicht. Versuche, Meinungsäußerungen von dem Gewaltmonopol unterworfenen Privatpersonen zu solchem Verhalten mit zivil- und sogar strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden, werfen überhaupt kein gutes Licht auf die Beamten und die Institution Polizei.“

Die Pressemitteilung als PDF: PM_Gerichtsprozess über Meinungsfreiheit: Wer darf die Polizei kritisieren.pdf

Datum: 17.5. 25 Uhrzeit: 12-17 Uhr
Ort: adb mannheim

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