Pressemitteilungen

Pressemitteilung vom 27. August 2024

Arbeit einer Unterstützungsgruppe für Hinterbliebene von Opfern von Polizeigewalt wird behindert

Anfang August erhielt die Initiative 2. Mai, die die Familien von den verstorbenen Ante P. und Ertekin Özkan unterstützt, Androhungen kritische Aussagen bezüglich der Rolle zweier Polizisten zu unterlassen. Beispielsweise sollen Aussagen auf der Webseite gelöscht werden, wie „Am 2. Mai 2022 erstickten zwei Polizeibeamte Ante P. “ Dies suggeriere einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Polizisten und dem Eintritt des Todes von Ante P. Den Androhungen wurde anwaltlich innerhalb der gesetzten Frist widersprochen. Die Tatsache, dass der Richter im Verfahren über den Tod von Ante P. entschieden hat, einen Polizisten freizusprechen und einen anderen wegen Körperverletzung zu verurteilen, ändert aus unserer Sicht nichts daran, dass der Polizeieinsatz ursächlich war für Ante P.s Tod. Dies betonte auch der Richter in seiner Urteilsverkündung Anfang März diesen Jahres. Es läge auf der Hand, dass die Angeklagten minutenlang die Dramatik verkannt hätten. Der Gerichtsprozess über den Tod von Ante P. hätte ein klares Signal seien sollen, dass Menschen mit psychischen Diagnosen Hilfe brauchen und nicht Schläge, Pfefferspray, Schreie oder Schüsse. Unbewaffnete mobile Kriseninterventionsteams können durchaus Polizisten ablösen.

Bis zum Ende des ersten juristischen Verfahrens und der Ablehnung des Revisionsverfahrens hat sich der Polizist, der neben Ante P. stand, als dieser verstarb, nicht geäußert. Die Familie von Ante P. hätte sich gewünscht, dass er seinen Freispruch dafür nutzt, sich bei ihnen zu entschuldigen, statt die Unterstützer*innen der Familie rechtlich zu attackieren. Zwei Jahre hielt die Initiative das Erinnern an Ante P. wach, gestaltete einen provisorischen Gedenkort auf dem kleinen Gehweg am Marktplatz, bis die Todesumstände in einem Gerichtsprozess zum ersten Mal verhandelt wurden. Der Gedenkort wurde in der Vergangenheit oft geschändet – zuletzt Ende letzter Woche. Das Revisionsverfahren gegen den zweiten Polizeibeamten, der mehrfach auf den am Boden liegenden Ante P. einschlug, dauert derzeit noch an. Die Ermittlungen über den Tod von Ertekin Özkan wurden kürzlich eingestellt bevor eine Strafanzeige wegen Verleumdung gegen ein Mitglied der Initiative gestellt wurde.

Von Menschen mit psychischen Diagnosen geht nicht zwangsläufig eine größere Gefahr aus als von anderen Menschen – ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält. Menschen mit psychischen Diagnosen haben Angst, wenn sie in eine Krise geraten, auf die Polizei zu treffen, die sie als potenzielle Gefahr sieht. Die Initiative vertritt auch ihre Stimmen und setzt sich dafür ein, dass Mannheim zu einem sicheren Ort wird. Die Arbeit der Initiative wird durch Klageversuche behindert. Die Initiative hat sich aus diesem Grund an die „No SLAPP“ Kampagne gewandt. SLAPP bedeutet Strategic Lawsuits Against Public Participation - strategische Klagen gegen politische Akteur*innen um kritische Stimmen mittels rechtlicher Schritte zu unterbinden. Laut der Menschenrechtskommission des Europarats setzen immer öfter unethisch handelnde Akteur*innen juristische Mittel missbräuchlich zur Abschreckung der kritischen Öffentlichkeit ein.

Hintergrund

Der Wissenschaftler Thomas Feltes geht davon aus, dass ca. 75 % der Opfer von Polizeigewalt in einer psychischen Ausnahmesituation waren. Ertekin Özkan wollte sich in seiner Not selbst verletzen. Die Polizeibeamten zogen – wissend, dass es sich um einen Schutzbefohlenen handelt – sofort nach der Ankunft ihre Waffen. Als der Arzt von Ante P. die beiden Polizeibeamten um Hilfe bat, traten sie an diesen mit Pfefferspray heran.

Ausgehend von den Untersuchungen der Gerichtsmedizinerin Dr. Yen, ist Ante P. am wahrscheinlichsten in Folge der Atembehinderung durch die Blutungen durch die Schläge auf seinen Kopf, gestorben. Gefolgt ist der Richter aber letztendlich den privat bezahlten Gutachter*innen der Angeklagten, die ein Herzversagen nicht ausschlossen. Die wenigsten Fälle gegen Polizeigewalt finden den Weg vor Gericht. In nur ca. 1 % der Gerichtsprozesse gegen Polizeibeamte kommt es zu einer Verurteilung.

Pressemitteilung vom 19. Juli 2024

Die „Methode Einzelfall“
Schweigeminute vor dem baden-württembergischen Landtag

Am 20.07. um 18:20 Uhr stellen sich Opferangehörige und ihre Freund*innen für eine Schweigeminute vor den Landtag von Baden-Württemberg, um auf die „Methode Einzelfall“ aufmerksam zu machen. Immer mehr Angehörige von Opfern von Polizeigewalt und von rassistischer Gewalt ermitteln in ihren Fällen selbst. Die wenigsten Fälle von Polizeigewalt gelangen vor Gericht, noch weniger Fälle führen zu einer Verurteilung. Selbstorganisierte Prozessbeobachter*innen halten immer wieder fest: Polizei-Zeug*innen wird mehr Glauben geschenkt, migrantisch gelesene Zeug*innen werden als unglaubwürdig dargestellt. Filmende Zeug*innen, die Zivilcourage zeigen, tauchen vor Gericht als aggressive Schaulustige auf. Strafverteidiger argumentieren in den überwiegenden Fällen von Polizeigewalt, dass Herzversagen oder Selbstmord zum Tod der Opfer geführt hätten. Diese Aussagen werden meist mit Privatgutachten gestützt. Juristischen und medizinischen Fachbegriffe dienen der Vertuschung rechtswidriger Handlungen.

Polizeigewalt und rassistische Gewalt sind keine Einzelfälle.

Familie von Ertekin Özkan, der während des Polizeieinsatzes am 23.12.2023 in Mannheim starb

„Weil unser Vater, unser Bruder, unser Sohn eine psychische Krise hatte, wurde er getötet. Er war arm und migrantisierter Deutscher. Er holte die Polizei und rief ihnen dann zu: ‚Erschießt mich!‘ So ist es dann geschehen. Wir standen daneben und hätten ihn beruhigen können. Jede andere Form von Hilfe wurde nicht in Betracht gezogen und durch den Polizeieinsatz behindert. Vier Schüsse. Bereits der erste Schuss wurde mit Kalkül tödlich ausgeführt. Das Ermittlungsverfahren gegen den Schützen wurde eingestellt. Wir widersprechen diesem Urteil und fordern Gerechtigkeit.“

Eltern von Hogır Alay, der verschwand und erhängt am 4.11.2023 in Kusel aufgefunden wurde

„Weil unser Sohn ein Asylbewerber war, wurde er getötet. Der Staat hat versagt. Mehrfach hatte sich unser Sohn an die BAMF gewendet und auch bei den Dolmetschern um Hilfe gebeten. Die Security Mitarbeiter in der Flüchtlingsunterkunft wendeten Gewalt an, schikanierten psychische und physisch. Eine Woche vor seinem Verschwinden sagte er, wenn mir etwas geschieht, sind die Schuldigen in der Unterkunft zu suchen. Sein Verschwinden interessierte niemanden. Die Polizei verweigerte die Vermisstenanzeige und ermittelte nach seinem Auffinden halbherzig bis gar nicht. Warum wurden die Beschwerden unseres Sohnes ignoriert? Warum fand man ihn erst nach über drei Wochen an einem Baum erhängt neben der Flüchtlingsunterkunft in einem verwesten Zustand sodass wir nicht mal unseren Sohn wiedererkannten? Wo bleibt der ausführliche Autopsiebericht? Wo sind die Videoaufnahmen der Unterkunft? Wo bleibt die Gerechtigkeit für Unseren Sohn Hogır Alay?“

Solidaritätskreis Justice4Mouhamed für Mouhamed Lamine Dramé, der während des Polizeieinsatzes am 8.8.2022 in Dortmund starb

„Weil er schwarz und in einer psychischen Ausnahmesituation war, wurde er getötet. Er war noch so jung. Er saß auf dem Boden einer Jugendhilfeeinrichtung, als er von Polizeibeamten angegriffen wurde. Kurz darauf trafen ihn quasi gleichzeitig Taser und Kugeln der Beamten. Vor Gericht stellen sie ihn nicht als schutzbedürftig dar, sondern als bewaffneten Angreifer. Zivile Zeug*innen, die von einem eskalierenden und gewaltvollen Verhalten der Polizei berichten, werden unglaubwürdig gemacht. Den Stimmen der Angehörigen wird kein Raum gegeben. Die Aufgabe, aufzuklären und Mouhamed würdevoll zu gedenken, liegt somit bei der Zivilgesellschaft.“

Antonia P., Schwester von Ante P., der während des Polizeieinsatzes am 2.5.2022 in Mannheim starb

„Weil mein Bruder psychisch krank war, wurde er getötet. Trotz Menschen, die Zivilcourage gezeigt hatten, konnten die handelnden Polizisten nicht aufgehalten werden. Sie haben einen Schutzbefohlenen angegriffen und ihn vor aller Augen getötet. Vor Gericht war das Verhalten von den Angeklagten, ihren Verteidigern, den privat beauftragten Sachverständigen der Angeklagten bis hin zum Richter diskriminierend gegenüber Menschen mit psychischen Diagnosen. Das Gutachten der Gerichtsmedizinerin hat die Polizisten als schuldig enttarnt. Es wird mit zweierlei Maß gemessen, wenn Polizisten vor Gericht stehen.“

Justine Seewald, Mutter von Sammy Baker, der während des Polizeieinsatzes am 13.8.2020 in Amsterdam starb

„Weil unser Sohn Sammy in einer psychischen Ausnahmesituation war, wurde er von einem völlig überforderten Amsterdamer Polizeiteam erschossen. Obwohl die Polizei wusste, dass Sammy medizinische Hilfe benötigte, weil wir ihn am Vorabend als vermisst gemeldet hatten, obwohl sie wussten, dass seine Mutter nur ca. 200 m entfernt war, wurde nichts unternommen, um zu deeskalieren und zu vermitteln. Die Richtlinien für die Polizei bezüglich Menschen mit Excited Delirium Syndrome (EDS) wurden ignoriert, genauso wie der eintreffende Sanitäter der Psycho-Ambulanz. Mit vier Schüssen von zwei Schützen brutal hingerichtet, sind wir nun im vierten Jahr des Kampfes auf zivil- und strafrechtlicher Ebene. Es verlangt uns psychisch und monetär alles ab, doch der niederländische Staatsapparat will mit allen Mitteln - wie Vertuschung und Zeitverzögerung -verhindern, dass die Verantwortlichen Konsequenzen erfahren.“

Saliou Diallo, Bruder von Oury Jalloh, der in einer Polizeizelle am 07.01.2005 in Dessau starb

„Weil mein Bruder, Oury Jalloh, schwarz war, wurde er von der Polizei in Dessau getötet. Wer wird morgen sterben? Unsere Eltern sind kurz nach ihm gestorben. Wir sind hier. Ich würde gern die Justiz und die Polizei fragen, welche Beweise sie jetzt noch haben wollen. Was wollen sie? Wir haben selbst ermittelt und alles vorgelegt. Sie haben uns so viele Dinge erzählt und wir haben ihnen die Wahrheit gezeigt. Was wollen sie jetzt noch? Wollen sie noch mehr Tote?“

Familie von Jürgen Rose, der nach einer Polizeikontrolle am 7.12.1997 in Dessau starb

„Weil mein Mann, unser Sohn, unser Vater Jürgen Rose wahrscheinlich von Polizeibeamten im Polizeirevier Dessau totgeprügelt wurde und die Staatsanwaltschaft in Dessau den Fall einfach eingestellt hat, haben wir jetzt Anzeige beim Generalbundesanwalt wegen Mordes gestellt. Die Kriminalpolizei Dessau sagt, sie wüssten, wer es war, aber sie könnten nichts machen. Die Akten wurden manipuliert. Wir wollen einfach nur Gerechtigkeit nach 27 Jahren. Das wäre gut.“

Pressemitteilung vom 17. Juni 2024

Ungleiche Formen des Gedenkens
Aktueller Stand im Marktplatzprozess

Die Familie von Ante P., der am 2. Mai 2022 auf dem Mannheimer Marktplatz während eines Polizeieinsatzes starb, legte gegen das Urteil Revision ein. Die Revisionsbegründung wird aktuell geprüft. Ein Ergebnis wird im Herbst erwartet.

Antonia P., Schwester des Verstorbenen

„Meine Mutter und ich hoffen, dass das Urteil aufgehoben wird und eine neue Verhandlung stattfinden kann. Das Revisionsverfahren wird zeigen, dass die Verfahrensbeteiligten voreingenommen waren, weil die Angeklagten Polizisten sind. Die Opfer von Polizeigewalt müssen gegen ein ganzes gesellschaftliches Narrativ, ein staatliches System ankämpfen in der Fehlerkultur nicht vorkommt. Wir kämpfen für Gerechtigkeit. Wir appellieren an die politischen Vertreter*innen: Ante war kein Einzelfall. Es braucht ein Umdenken bevor weitere Menschen sterben. Aktuell werden in Mannheim wegen dem Tod eines Polizisten in Grundschulen Schweigeminuten durchgeführt. Wir müssen über diese ungleiche Form des Gedenkens sprechen dürfen.“

Die Initiative 2. Mai sammelt für das Revisionsverfahren aktuell Spenden:
https://www.betterplace.org/de/projects/133751

Ein juristisches Vorgehen ist extrem kostspielig. Der Verlust eines Familienangehörigen und die Retraumatisierung durch das Gerichtsverfahren führten zu Arbeitsplatzverlust und finanziellen Existenzängsten. Die Familie erhielt nach der Tat weder staatliche Unterstützung, noch eine Entschuldigung seitens der Polizei und Politik. Sie sind auf die Spenden angewiesen.

Initiative 2. Mai Mannheim

„Ein Gefälligkeitsurteil, anders kann man es nicht sagen. Ein Täter wird verurteilt wegen den Schlägen, aber nicht wegen dem daraus folgenden Tod. Die unabhängige Gerichtsmedizinerin sagte aus, dass der Tod Folge des Polizeieinsatzes war. Die zwei Angeklagten bezahlten private GutachterInnen, die das Gegenteil behaupteten. Das Verfahren und die privaten Gutachten wurden mit Hilfe einer Spendenkampagne der Gewerkschaft der Polizei finanziert. Der Familie von Ante stand leider kein Geld für ein privates Gegengutachten zur Verfügung. Wir fordern Konsequenzen. Wir fordern Mitgefühl für die Hinterbliebenen. Es muss das gleiche Recht für alle gelten. “

Pressemitteilung vom 14. Juni 2024

Familie fordert ein Gerichtsverfahren für Ertekin Özkan
Kundgebung gegen Polizeigewalt und für Gerechtigkeit

Vor einem halben Jahr verstarb Ertekin Özkan durch vier Schüsse von einer Dienstwaffe. Bereits der erste Schuss war laut der Staatsanwaltschaft tödlich. Er ging direkt ins Herz, danach wurde die Lunge getroffen. Ertekin Özkan verstarb vor den Augen seiner Familie, den Nachbar*innen, mitten auf der Straße. Zahlreiche Videoaufnahmen von Passant*innen zeigten den Polizeieinsatz. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen vor ca. zwei Wochen ein. Zurück bleiben quälende Fragen.

Mutter von Ertekin Özkan

„Ertekin Özkan befand sich in einer psychischen Notsituation. Warum wurden wir nicht in die Nähe unseres Angehörigen gelassen, um ihn zu beruhigen? Warum wurde direkt ins Herz geschossen, auf lebensbedrohliche Organe? Warum wurde geschossen und hätte es keine milderen Mittel gegeben?“

Meral Özkan, Schwester

„Wir als Familie Özkan können zum jetzigen Stand nur sagen, dass wir zutiefst erschüttert und schockiert sind. Wir werden bis zum Schluss für die Gerechtigkeit kämpfen“

KUNDGEBUNG

23. Juni 2024

17:00 Uhr

Johann Schüttestraße

68307 Mannheim

Gerechtigkeit für Ertekin Kundgebung am 23. Juni 2024 17:00 Uhr Johann Schüttestraße Initiative 2. Mai im Hintergrund ein Aquarellbild von Ertekin Sharepic zum Demoaufruf
Pressemitteilung vom 29. Mai 2024

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein - Angehörige von Ertekin Ö. sind empört

Heute, am 29. Mai, gab die Staatsanwaltschaft Mannheim bekannt, dass sie die Ermittlungen gegen den Polizisten, der Ertekin Ö. am 23. Dezember 2023 auf der Schönau erschossen hat, eingestellt hat. Die Familie von Ö. reagierte darauf empört. Seine Schwester Meral sagte: „Wir als Familie Özkan können zum jetzigen Stand nur sagen, dass wir zutiefst erschüttert und schockiert sind. Wir werden bis zum Schluss für die Gerechtigkeit kämpfen“. Auch Emrah Durkal von der Initiative 2. Mai äußerte sich wie folgt: „Diese Verfahrenseinstellung ist ein Skandal, und die Begründung der Staatsanwaltschaft ist lächerlich. In Mannheim zeigt sich ganz klar: Polizist*innen dürfen konsequenzlos töten. Für uns als Initiative 2. Mai steht fest, dass wir weiterhin an der Seite der Familie von Ertekin für Gerechtigkeit kämpfen.“

Am Samstag, den 1. Juni um 18:00 Uhr wird eine Kundgebung auf der Schönau stattfinden. Außerdem wird ein halbes Jahr nach Ertekin Ö.s Tod am 23. Juni seiner im Rahmen einer Kundgebung gedacht werden.

Pressemitteilung vom 2. Mai 2024

„Das Land Baden-Württemberg lässt uns im Stich“
Landtag nimmt Stellung zum Todesfall Ante P. nach einem offenen Brief der Schwester

Ante P. verstarb vor genau zwei Jahren während eines Polizeieinsatzes auf dem Marktplatz in Mannheim. Die Schwester des Verstorbenen veröffentlicht nun einen offenen Brief an den Innenminister und den Vorsitzenden des Ausschusses des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen. Ulli Hockenberger, der Vorsitzende des Ausschusses, antwortet der Schwester Antonia P. und kündigt ein persönliches Treffen nach der Sitzung im Innenausschuss über die besonderen Herausforderungen der Polizei im Umgang mit psychisch auffälligen Menschen Anfang Juni, an.

Das Landgericht Mannheim hatte Anfang März einen Polizisten verurteilt und einen zweiten freigesprochen. Der Richter machte deutlich, dass Ante P. ohne den Eingriff der beiden Polizisten nicht gestorben wäre. Im offenen Brief beklagte Antonia P. dennoch: „Das Land Baden-Württemberg lässt uns im Stich!“
Bis heute fehle eine öffentliche Entschuldigung bei der Familie durch Polizeipräsidium Mannheim, Landespolizei Baden-Württemberg, Gewerkschaft der Polizei Baden-Württemberg, Oberbürgermeister der Stadt Mannheim, Innenminister oder Ministerpräsidenten.
Im Brief heißt es weiter: „Es sind in Polizeieinsätzen allein in Mannheim während der letzten anderthalb Jahre drei Menschen zu Tode gekommen. Wer ist hier in der Verantwortung, etwas zu unternehmen, damit das aufhört!“

Die Familie von Ante P. legte gegen das Gerichtsurteil Revision ein, die zurzeit geprüft wird. Die Schwester äußert sich zu dem Verfahren: „In der erstinstanzlichen Verhandlung wurden fortwährend diskriminierende und stigmatisierende Aussagen gegenüber psychisch kranken Menschen getätigt. Dies und die Vorgehensweise gegenüber meinem Bruder als psychisch behindertem Menschen verstößt gegen die EU Behindertenrechtskonventionen.“ Als Beispiel für die Diskriminierung führt sie aus: „[…] mein Bruder [soll] eine Gefahr für die Öffentlichkeit dargestellt haben. Diese Behauptung dient schlichtweg dazu, ein falsches Bild in der Öffentlichkeit zu zeichnen [...]“. Die Polizeibeamten, sollten den selbstgefährdeten Ante P. vor zwei Jahren gegen seinen Willen zwangseinweisen, nachdem dieser seinen Arzt aufgesucht hatte. Die Schwester hebt im Schreiben nicht nur den Umgang der Polizei mit psychisch erkrankten Personen hervor, sondern unterstreicht auch die gefährliche Praxis der Polizei, Menschen in Bauchlage auf dem Boden zu fixieren und mit Gewalt niederzudrücken. Laut des Obduktionsberichts von Ante P. führte dies zu einem lagebedingten Erstickungstod. Trotz Versuchen aus der Zivilbevölkerung, die Polizeibeamten auf den Todeskampf von Ante P. hinzuweisen, konnte dessen Tod nicht verhindert werden.

Die Schwester von Ante P. fordert in dem offenen Brief den Innenminister dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Polizei effektiv zu kontrollieren und den unsachgemäßen Umgang mit psychisch Erkrankten zu vermeiden. Nach einer Studie von dem Wissenschaftler Singelstein handelt es sich in 75 Prozent der Fälle von tödlicher Polizeigewalt in Deutschland um Menschen in psychischen Ausnahmesituationen.

In Gedenken an Ante P. werden wir heute auf dem Marktplatz in Mannheim um 18 Uhr am provisorischen Gedenkort Kerzen und Blumen niederlegen.

Offener Brief der Schwester: Offener-Brief-und-Schreiben an-den-Landtag-BW Innenausschuss.pdf
Antwortschreiben Landtag: Antwortschreiben-Landtag.pdf

Pressemitteilung vom 07. März 2024

Gedenken an Ante P. am Internationalen Tag gegen Polizeigewalt
Bundesweiter Aufruf #15MRZ

Gemeinsam mit den Angehörigen und Freund*innen von Ante P., Sammy Baker, Mouhamed Lamine Dramé, Hogir Alay und Ertekin Özkan klagen wir um die Opfer von Polizeigewalt und hören ihnen zu. Wir vernetzen uns mit allen Betroffenen von Polizeigewalt und kämpfen gemeinsam für die Umsetzung ihrer Forderungen.

Am Freitag den 15. März um 17 Uhr werden wir uns am Internationalen Tag gegen Polizeigewalt auf dem Marktplatz in Mannheim versammeln, wo Ante P. vor zwei Jahren von zwei Polizeibeamten mit Pfefferspray und Schlägen attackiert und zu Boden gedrückt wurde bis er keine Luft mehr bekam.

Vor wenigen Tagen endete der Prozess gegen die Beamten mit einem Freispruch und einer Geldstrafe. Ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die psychische Ausnahmesituationen kennen, ein Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. Ein Signal an alle Beamten, dass Polizeigewalt vom Staat unterstützt wird.

Für Empowerment von Betroffenen, für eine Gesellschaft, die diese Verhältnisse nicht akzeptiert, für Aufklärung und Gerechtigkeit, für alle Antes, für alle Sammys, für alle Mouhameds, für alle Hogirs, für alle Ertekins!

Bringt gerne Blumen, Kerzen oder andere Gesten mit. Vor Ort werden u.a. die Angehörigen das Wort ergreifen und die Initiative 2. Mai die Auswertung von der Prozessbeobachtung vorstellen. Es sind künstlerische Performances geplant u.a. „Profiling Racial Profiling/Halay“.

Kooperationspartner:

  • Black Academy
  • SJD – Die Falken StV. Mannheim
  • Die Unmündigen
  • Erinnern.Verändern
  • DIDF Mannheim
  • Freund*innen von Ertekin Özkan
  • Gemeinsam Solidarisch Kämpfen
  • Initiative 2. Mai Mannheim
  • Initiative Hogir Alay
  • Internationaler Tag gegen Polizeigewalt #15MRZ
  • Interventionistische Linke Rhein Neckar
  • Justice for Sammy
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie
  • Mannheim sagt Ja!
  • Migrantifa Stuttgart
  • Omas gegen Rechts
  • Solidaritätskreis Mouhamed
  • Tribunal NSU-Komplex auflösen, Regionalgruppe Baden-Württemberg

Kontakt: info@initiative-2mai.de

alt="Plakat der Veranstaltung. Im Hintergrund zeigt ein Bild in Bleistift und Aquarellfarben gezeichnet viele sich meldende Menschen in roter und schwarzer Farbe."Das Plakat zum Aufruf
Pressemitteilung vom 01. März 2024

Auswertung der Prozessbegleitung zum Tod von Ante P. - Eine Zwischenbilanz

Die Initiative 2. Mai Mannheim veröffentlichte heute auf 19 Seiten ihre vorläufige Auswertung der sieben Prozesstage mit insgesamt 27 Zeug*innen. Etwa ein Prozent der Fälle gegen Polizeibeamt*innen, die vor Gericht kommen, werden von Opfern gewonnen. Die meisten Fälle werden vorher eingestellt – laut der Hellfeld-Quote 98 %. Während der Beobachtung des Prozesses gegen die Polizeibeamten, die Ante P. laut der Gerichtsmedizinerin Prof. Dr. Yen erstickten, wurden die verschiedenen Strategien der Verfahrensbeteiligten untersucht. Das Ergebnis: Prozesse gegen Polizeibeamte werden voreingenommen geführt. Ihnen wird als Beamt*innen und als Zeug*innen eine besondere Rolle eingeräumt. Der Umgang mit Menschen, die eine psychische Erkrankung haben, ist vor Gericht diffamierend und auf der Straße tödlich. Das Verhalten der Angeklagten und der von ihnen bestellten Zweitgutachter*innen zu der Todesursache wirkten retraumatisierend auf Mutter und Schwester von Ante P.

Der „Auswertung der Prozessbegleitung zum Tod von Ante P. - Eine Zwischenbilanz“ liegen Gespräche mit verschiedenen Expert*innen zugrunde, die zu Polizeigewalt forschen. Beispielsweise äußerte die Kriminologin und Juristin Laila Abdul-Rahman Zweifel, dass bei einem nicht-polizeilichen Angeklagten das geforderte Strafmaß der Staatsanwaltschaft bei einer ähnlich schweren Tat genauso gering ausgefallen wäre. Angesichts der überwiegenden Verfahrenseinstellungen und Freisprüche bei Polizeigewalt sei es schon als juristischer Erfolg zu werten, dass überhaupt die Rechtswidrigkeit von dem Pfeffersprayeinsatz und den vier Schlägen anerkannt wurde. Die Höhe des geforderten Strafmaßes durch die Staatsanwaltschaft erklärt sie damit, dass so der Staatsanwaltschaft nicht vorgeworfen werden könne, sie habe nichts getan, während deutlich spürbare Konsequenzen für die Polizeibeamten ausblieben. Staatsanwaltschaft und Verteidigung stellten die Bedeutung von Augenzeug*innen infrage und machten einen Unterschied zwischen weiß-gelesenen und nicht-weiß gelesenen Zeug*innen. Auf dem Marktplatz in Mannheim hielten sich mehrheitlich rassifizierte und migrantisierte Menschen auf. Bereits vor dem Gerichtsprozess waren rassistische Äußerungen des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei in der Bezirksgruppe Mannheim, Thomas Mohr, öffentlich geworden. Er sagte, dass in diesem Stadtteil „die Anwohnerschaft und das Klientel“, was sich dort bewege, grundsätzlich ein „gespaltenes Verhältnis zum Staat und auch ein gespaltenes Verhältnis zur Polizei“ hätte. Die Polizei forciert seit einigen Jahren das Narrativ der Bedrohung durch Umstehende. So hat die Polizei den Begriff der „Tumultdelikte“ geschaffen. Dahinter steckt die Behauptung, dass sich Gruppen zusammenrotteten, um Polizeieinsätze zu stören. Die Polizei gibt häufig auch Anweisungen, nicht zu filmen. Mit solchen Strategien versucht die Polizei, Augenzeug*innen von Polizeigewalt abzuschrecken. Diese Täter-Opfer-Umkehr prangert seit vielen Jahren der Aktivist und Überlebende des Möllner Anschlags, Ibrahim Arslan, an. Die Betroffenen seien keine Statisten, sondern die Hauptzeugen des Geschehens. Welche Konsequenzen müssen gezogen werden? Wie kann auf Polizeigewalt aufmerksam gemacht werden?

  • Wir fordern, dass die Angeklagten nicht mehr in den Polizeidienst zurückkehren.
  • Wir fordern unabhängige Untersuchungsmechanismen von Polizeigewalt auf den Ebenen von Kommune, Land und Bund. Die Initiative 2. Mai unterstützt darüber hinaus die Forderungen zur Einrichtung von unabhängigen Beschwerde- und Beratungsstellen. Sie bedürfen institutioneller und finanzieller Unabhängigkeit. Sie sind personell und finanziell so auszustatten, dass sie als Unterstützungsstruktur arbeitsfähig sind.
  • Wir fordern die Einrichtung eines unverzüglich abrufbaren Opferfonds, um zumindest das bürokratische und finanzielle Leid der Betroffenen von Polizeigewalt zu lindern. Wir unterstützen die unabhängigen Stiftungen, die sich diesem Thema annehmen. Der Verlust eines Menschen bringt hohe soziale und finanzielle Not mit sich. Wir fordern die Öffentlichkeit auf, sich stärker für die Belange von Betroffenen zu sensibilisieren.
  • Wir fordern mobile Kriseninterventionsteams mit Expert*innen aus verschiedenen Bereichen der Psychologie, Sozialen Arbeit, Psychiatrieerfahrenen etc., die Menschen in einer psychischen Krise vor Ort adäquat, zugewandt und ohne Gewalt begegnen.
  • Wir fordern, dass Angehörige von Opfern durch Polizeigewalt und deren Augenzeug*innen direkt nach der Tat psychologische Betreuung angeboten wird.
  • Wir fordern, dass allen Zeug*innen von Polizeigewalt bei ihrer ersten Vernehmung durch die Polizei und später im Gericht ein unabhängiger Beistand proaktiv und kostenlos zur Seite gestellt wird, bspw. ein Anwalt, eine Beratungsstelle, psychosoziale Prozessbegleiter*innen oder andere Menschen zur emotionalen Unterstützung.
  • Wir versuchen in der Öffentlichkeit Bewusstsein darüber zu schaffen, nach Vorfällen von Polizeigewalt oder Rassismus sofort eigene Gedächtnisprotokolle anzufertigen – auch eigene Sprachnachrichten können in diesem Zusammenhang sehr hilfreich sein.
  • Wir fordern die Gesellschaft auf, Hürden für Menschen mit physischen und psychischen Einschränkungen abzubauen – in und vor dem Gerichtssaal. Wir fordern einen sensiblen Umgang miteinander auf Augenhöhe.
  • Wir fordern eine Entschuldigung bei der Familie von Ante P. und ein Denkmal für ihn und andere Opfer von Polizeigewalt.
  • Wir fordern alle auf, am 15.3., dem Internationalen Tag gegen Polizeigewalt, gemeinsam mit den Angehörigen und Freund*innen von Ante P., Sammy Baker, Mouhamed Dramé, Hogir Alay, Ertekin Özkan um 17 Uhr auf dem Marktplatz in Mannheim zu gedenken, zuzuhören und sich für die Umsetzung dieser Forderungen einzusetzen.

Spenden: https://www.betterplace.org/de/projects/133751-prozessbeobachtung-kosten-fuer-ante-p-initiative-2-mai-mannheim

Unsere Bilanz finden sie unter folgendem Link:: Initiative 2. Mai (01.03.24) Eine Zwischenbilanz.pdf

Pressemitteilung 19. Februar 2024

Tödliche Polizeigewalt vor Gericht
Einladung zum Pressegespräch mit der Initiative 2. Mai aus Mannheim

Mittwoch, 21. Februar, 10.15 – 11.00 Uhr
Aquarium, Skalitzer Straße 6, Berlin-Kreuzberg (U-Bhf Kottbusser Tor)

Im Anschluss besteht die Möglichkeit für Hintergrundgespräche zu den Schlussplädoyers von Anklage und Nebenklage im Prozess gegen zwei Polizeibeamte mit

Seit Januar 2024 stehen in Mannheim zwei Polizisten wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Amt und fahrlässiger Tötung durch Unterlassen vor Gericht. Die Beamten hatten am 2. Mai 2022 den 47- jährigen Ante P. mit Pfefferspray und Schlägen überwältigt, am Boden auf dem Bauch liegend festgehalten, ihn mit Handschellen gefesselt und – laut Gutachten der Rechtsmedizin in Heidelberg – dabei erstickt.

Ante P. hatte seit 33 Jahren eine psychische Erkrankung. Am Tattag hatte sein behandelnder Arzt die Polizei kontaktiert, da er besorgt war, dass Ante P. sich in Gefahr bringen könnte. Rund 70 Personen beobachteten den folgenden tödlichen polizeilichen Übergriffs am Marktplatz. Einige nahmen Videos auf – auch diesen Aufnahmen ist es zu verdanken, dass es zu einem Gerichtsprozess gegen die Polizeibeamten kam.

Kurz vor seinem Tod rief Ante P. laut nach einem Richter. Jedoch plädiert der Staatsanwalt auf milde Strafen: eine sechsmonatige Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung im Amt für den Hauptangeklagten und einen Freispruch für den zweiten Polizisten. Ab dem 22. Februar beginnen die Schlussplädoyers, Anfang März soll das Urteil gesprochen werden.

Die Initiative 2. Mai begleitet den Prozess kritisch in Solidarität mit den Angehörigen des Opfers. Im Pressegespräch berichten sie über die Verhandlungstage und erheben politische Forderungen.

Polizeigewalt gegenüber Menschen mit Rassismuserfahrung hat in Deutschland System: Überdurchschnittlich oft sind sie unter den Opfern tödlicher Polizeischüsse, tödlich verlaufender Einsätze und Tod im Gewahrsam. In rund drei Viertel dieser Fälle waren die Toten wie Ante P. in einer psychischen Ausnahmesituation. Ein zusätzlicher Gefährdungsfaktor ist die gesellschaftliche Ausgrenzung Armutsbetroffener – auch dies trifft auf Ante P. zu.

Nur selten führen Ermittlungen in nach einem tödlichen Polizeieinsatz zur Anklage gegen die Täter*innen, noch seltener kommt es zu Verurteilungen. Deshalb ist von besonderer Bedeutung, dass aktuell momentan neben dem Prozess in Mannheim auch in Dortmund wegen tödlicher Polizeigewalt verhandelt wird.

Am Abend folgt in Berlin-Kreuzberg eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Solidaritätskreis „Justice for Mouhamed“ aus Dortmund zu Polizeigewalt vor Gericht:
https://www.cilip.de/2024/02/08/einzelfaelle-mit-system-toedliche-polizeigewalt-vor-gericht
Eine Anmeldung zum Pressegespräch ist nicht erforderlich.

Pressemitteilung vom 5. Februar 2024

Nebenklage erklärt Befangenheit der Gegengutachter im Marktplatz Prozess gegen zwei Polizeibeamte

Der Anwalt von Ante P.s Schwester reichte heute Anträge auf Befangenheit ein.

Dr. Betz sei selbst das Beweismittel und dürfe nicht rechtlich werten und auch keinen wertenden Blick einnehmen. Vor Gericht wertete Dr. Betz psychisch kranke Menschen ab.

Dr. Stein warf er vor, Aussagen von Zeugen, insbesondere dem behandeltem Arzt von Ante P. und der Gutachterin Dr. Yen, abzuwerten. Ihr Gutachten wies außerdem widersprüchliche Todesursachen auf.

Initiative 2. Mai: „Die Gutachter der Verteidigung versuchen maximale Zweifel zu sähen und verteidigen die Polizei um jeden Preis. Allein die Brutalität des Polizeieinsatzes ist ausschlaggebend für Ante P.s Tod.“

Die Initiative 2. Mai dokumentiert die Prozesstage auf ihrer Webseite und beschreibt die fragwürdigen Methoden der beiden Gegengutachter: Dr. Betz, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Friedrich-Alexander Universität Erlangen, fiel vor allem durch seine menschenverachtende Sprache über mehrgewichtige Menschen und Menschen mit Schizophrenie, auf. Faktoren, wie die Fixierung am Boden, schließe er als Todesursache aus – schließlich würden „dicke Menschen am Strand auch auf dem Bauch liegen können, ohne dass gleich der Notarzt kommt“. In dieser Aussage leugnet er die Tatsache, dass ein Mensch gefesselt auf dem Boden lag, während ihm Blut in Mund und Nase lief und ein Polizeibeamter auf seinem Rücken saß. „Schizophrene sind mit Vorsicht zu genießen“ sagte er weiter, sie seien bekannt für „Tötungsdelikte und Suizide“. Diese Aussage bestätigt die Einschätzung der Initiative 2. Mai: Es herrscht die Einstellung vor, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen das Zusammenleben in einer Gesellschaft „stören“ würden. Dr. Betz entmenschlicht Ante P. und schließt den Zusammenhang zwischen dem brutalen Polizeieinsatz und Ante Ps. Tod aus. Dr. Stein, Fachärztin für Rechtsmedizin, zog für ihre Untersuchung ein Handyvideo eines Zeugen heran. Da sie technische Probleme hatte das Originalvideo auf ihren Rechner zu übertragen, filmte sie dieses mit ihrem Handy kurzerhand selbst ab. Sie machte darin eine rötliche Färbung in Ante P.s Gesicht aus bevor er am Boden fixiert wurde. Dieses Argument zieht sie heran um als Todesursache Herzversagen zu beweisen. Die Initiative sieht hier ein dreifaches Versagen: Zum einen ist die Qualität des untersuchten Videos, sowie die Methode fragwürdig und zum anderen blieb in der Untersuchung unerwähnt, dass die Beamten Ante P. zu Beginn ihres Einsatzes Pfefferspray ins Gesicht sprühten, was ebenfalls rötliche Verfärbungen hervorrufen kann.

Die erste Gutachterin der rechtsmedizinischen Untersuchung Dr. Yen, die Ärztliche Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin der Uniklinik Heidelberg, benannte den Einsatz der Polizeibeamten als Todesursache. Ante P. habe sich in einem „Todeskampf“ befunden. Dr. Yen verwies am vorangegangenen Prozesstag auf eine wissenschaftliche Studie, die ähnliche Todesfälle bei Polizeieinsätzen untersucht. Die Verteidigung stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag den sie heute wiederholt und ausgebaut hat.

Zusammenfassungen und Einschätzungen der einzelnen Prozesstage können abgerufen werden unter: https://initiative-2mai.de/Prozessbeobachtung.html.

Kontakt: info@initiative-2mai.de

Pressemitteilung vom 8. Januar 2024

Ante P. war kein Einzelfall
Großzahl der Opfer von Polizeigewalt sind Menschen in einer psychischen Notsituation

Am 12. Januar beginnt der Prozess gegen zwei Polizeibeamte in Mannheim, die während ihres Einsatzes einen 47 jährigen Mann mutmaßlich erstickten. Das Opfer Ante P. hatte eine psychische Erkrankung, seit 33 Jahren, lebte selbstständig in einer eigenen Wohnung und war bei der Arbeitstherapeutischen Werkstätte (ATW) Mannheim beschäftigt und betreut. Er hörte am Liebsten die Band Queen.

Der Kriminologe Thomas Feltes schätzt, dass sich 75% der Opfer tödlicher Polizeigewalt in einer psychischen Ausnahmesituation befanden1. Die Angst von potentiell Betroffenen ist nach dem Vorfall in Mannheim groß, berichtet eine ehemalige Arbeitskollegin von Ante P. Dass sie fast zwei Jahre auf einen Prozess warten musste, löst Unverständnis aus. Warum die Polizeibeamten so aggressiv gegenüber einem Mann auftraten, der sich bekanntermaßen in einer psychischen Ausnahmesituation befand, ist eine offene Frage, die die Initiative 2. Mai beschäftigt. Die Initiative setzt sich für ein Zusammenleben ein, in der Polizeibrutalität nicht mehr zum Alltag von potentiell Betroffenen gehört. Mobile Kriseninterventionteams von verschiedenen Expert*innen gehören zu einen ihrer Forderungen, die ihren Ursprung in Ansätzen von transformative justice oder community accountability, haben.

Die Initiative 2. Mai ruft anlässlich des mehrere Monate andauernden Gerichtsprozesses für Zivilcourage in mehreren Mahnwachen auf. Eine der letzten Worte von Ante P. Waren: „Ich will einen Richter“. Die gleichnamige Ausstellung wird zu sehen sein. Es wird gebeten an allen Prozesstagen Blumen am Marktplatz (Ort: G2, 8) niederzulegen, wo Ante P. verstarb.

12.01. ab 8:30 Uhr, A1 1, Mahnwache gegenüber dem Landgericht Mannheim
14.01. ab 13:00 Uhr, Marktplatz am Todesort von Ante P., Mahnwache und Demonstration
17.01. ab 8:30 Uhr, A1 1, Mahnwache gegenüber dem Landgericht Mannheim

Hintergrundinformation

Die Initiative 2. Mai wurde aus der Zivilgesellschaft heraus gegründet. Am Tattag waren ca. 70 Zeug*innen vor Ort, die ca. 120 Videos aufgenommen haben. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass es nun zu einem Gerichtsprozess kommt. Menschen in einer psychischen Notsituation sind verstärkt betroffen von Polizeigewalt. Wir setzen uns dafür ein, dass diese dauerhafte Gefahrensituation aufgelöst wird, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und Vertreter*innen der Regierung weitreichende Konsequenzen ziehen. Wir möchten der Familie von Ante P. unser Beileid ausdrücken und nicht tatenlos bleiben.

Kontakt:info@initiative-2mai.de
Pressemitteilung vom 13. Juli 2023

Anklage gegen zwei Polizeibeamte
Es gibt keine Rechtfertigung für A. P.s Tod!

Das Landgericht Mannheim gab heute bekannt, dass der Prozess gegen zwei Polizeibeamte, die einen psychisch erkrankten Mann in Not durch den Einsatz von Gewalt am 02.05.22 töteten, im Januar 2024 eröffnet wird.

Das öffentliche Interesse an dem Prozess gegen die zwei Polizeibeamten, die A. P. töteten ist in Mannheim und darüber hinaus sehr groß, was zahlreiche Berichterstattungen zeigen. Warum wir fast zwei Jahre auf einen Prozessbeginn warten müssen, ist uns unerklärlich. Dieser Fall und andere ähnliche Fälle, wie der getötete Mouhamed Lamine Dramé in Dortmund (siehe die Kampagne: Es gibt 1000 Mouhameds. Sie verdienen Gerechtigkeit! https://justice4mouhamed.org/) machen sichtbar, dass der Tod von A. P. kein Einzelfall war. Wir fordern deutliche Konsequenzen, die über die strafrechtlichen Ermittlungen hinausgehen. Wir fordern nicht eine Sensibilisierung und Schulung der Polizei – wir fordern eine Lösung, in der nicht eine Staatsgewalt eingesetzt wird um Menschen in Not zu betreuen.

Es gibt keine Rechtfertigung für den polizeilichen Einsatz von massiver Gewalt gegen A. P. Es gibt keine Rechtfertigung für Tod. Auch mit Blick auf die Kontinuität von Gewalt an Menschen mit psychischen Erkrankungen seit dem Nationalsozialismus, fordern wir, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Eine Entschuldigung der Verantwortlichen gegenüber der Familie blieb bisher aus.

Dagmar K., ehemalige Arbeitskollegin von A. P. in den Arbeitstherapeutischen Werkstätten ATW:

„Ich bin wütend auf die Polizeibeamten. A.P. hätte Hilfe gebraucht, keine Polizei, die sich ihm mit Pfefferspay, Schreien und Schlägen zuwendet. Diese tödliche Einsatzlogik der Polizei bedroht uns alle. Auch das Z.I. trägt eine Mitverantwortung für die Eskalation.“

Dr. Sevda Can Arslan, Institut für Medienwissenschaft der Universität Paderborn:

„Studierende präsentierten am 27.06.23 das Ergebnis ihrer Untersuchung über mediale Berichterstattung nach A. P.s Tod. Sie kamen u.a. zu dem Ergebnis, dass die Erwähnung seiner psychischen Erkrankung ambivalent ist. Indem nicht kritisch auf Ableismus hingewiesen wird, scheint so eher eine Rechtfertigung des Einsatzes von staatlicher Gewalt nahegelegt zu werden. Außerdem wird nicht auf strukturelle Gemeinsamkeiten verschiedener bundesweiter Fälle eingegangen." Die Ergebnisse werden am 09.09.23 veröffentlicht.

Die Initiative 2. Mai und die Fußballmannschaft der ATW werden am Geburtstag von A. P. - am 9. September - an ihren Freund und Kollegen erinnern. Gezeigt wird u.a. eine Plakatausstellung über A. P. und die Folgen von Polizeigewalt.

Hintergrundinformationen:

Die Kampagne „Death in Custody“ verbindet verschiedene Todesfälle durch Polizeigewalt in Deutschland seit 1990 und macht u.a. die Intersektionalität der Betroffenheit sichtbar: „Psychiatrieerfahrene, geflüchtete, prekär lebende und andere marginalisierte Gruppen sind besonders gefährdet. Todesfälle in Gewahrsam und deren Nichtaufklärung sind die letzte Eskalationsstufe dieser Gewalt.“ (https://doku.deathincustody.info/kampagne/)

Pressemitteilung 27. April 2023

Ankündigung einer Demonstration und Einladung der Presse

Nächste Woche am Dienstag jährt sich zum ersten Mal der Vorfall von Polizeigewalt am Marktplatz. Am 02. Mai 2022 haben zwei Polizisten A.P. getötet. Die Initiative 2. Mai ruft deswegen zu einer Demonstration ab 17:00 durch die Innenstadt vom Plankenkopf zum damaligen Tatort, dem Marktplatz, auf. Am Ende der Demonstration gibt es die Möglichkeit Blumen und Kerzen in Gedenken an A.P. niederzulegen.

In Ihrem Aufruf schreibt die Iniative, dass die Angehörigen von A.P. weder finanzielle Unterstützung von der Stadt, noch eine Entschuldigung von Oberbürgermeister Kurz oder Polizeipräsident Kollmer bekommen haben. Beide haben im Nachgang der Tat statt Verantwortung zu übernehmen die beteiligten Polizisten in Schutz genommen. Außerdem kritisiert die Initiative, dass es noch immer kein Gerichtsverfahren gegen die Täter gibt und keine Aufklärung vonseiten des ZI. Dort war A.P. kurz vor seinem Tod in Behandlung. "Wir sind traurig und wütend" schreibt die Initiative 2. Mai und fordert "ein Ende der Gewalt und solidarische und menschliche Strukturen".

Mail: info@initiative-2mai.de

Pressemitteilung, 9.12.22

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Beamten, die im Einsatz A.P. töteten

Wir begrüßen, dass die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis gekommen ist, dass zwei Beamten eine Verurteilung droht. Für die Freund:innen und Arbeitskolleg:innen von A.P. ist es von Bedeutung, dass die Beamten ihren Beruf nicht weiter ausüben dürfen.
Der Tod von A.P. ist auf zahlreichen Videos von umstehenden Zeug:innen aufgenommen und dadurch gut dokumentiert worden. Wir stellen uns dennoch die Frage, warum hat von den Zivilist:innen niemand eingegriffen? Warum hat niemand „Stopp“ gerufen? Und wie viele Polizist:innen waren vor Ort im Einsatz? Was ist die Rolle des Arztes?

Wir fordern deutliche Konsequenzen, die über die strafrechtlichen Ermittlungen hinausgehen. Für uns ist der „Fall A.P.“ alles, nur kein Einzelfall. Der Polizeieinsatz war katastrophal, das zeigen die veröffentlichten Einzelheiten zum Tathergang am Marktplatz. Bei tiefergehender Betrachtung wird deutlich, dass das Vorgehen ein Symptom eines strukturellen Problems ist. Die veröffentlichten Einsatzdetails verdeutlichen, wie inädequat eine auf repressives Vorgehen gedrillte Polizei mit Menschen in psychischen Krisen umgeht. A.P. hätte Hilfe gebraucht, keine Polizei, die sich ihm mit Pfefferspray und Schlägen zuwendet. Diese tödliche Einsatzlogik der Polizei in Mannheim steht beispielhaft für viele andere Orte, wie Dortmund, Frankfurt und Köln.

Wir sind bestürzt über den Tod von A.P. und über die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Fall seitens des Polizeipräsidenten Siegfried Kollmar und des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei in der Bezirksgruppe Mannheim, Thomas Mohr, die den Einsatz der Beamten verharmlosten. Thomas Mohr äußerte zwei Tage nach dem Tod von A.P.: „Gerade in diesem Stadtteil hat ja die Anwohnerschaft und das Klientel, was sich in diesem Stadtteil bewegt, grundsätzlich ein gespaltenes Verhältnis zum Staat und auch ein gespaltenes Verhältnis zur Polizei und nutzt auch die mediale Aufmerksamkeit, um hier Hetze und Stimmung zu machen.“ Das ist eine rassistische Täter-Opfer-Umkehr. Wir fordern eine öffentliche Entschuldigung bei der Familie von A.P. Wir fordern eine adäquate psychologische Versorgung von Betroffenen und Hinterbliebenen von Opfern von Polizeigewalt. Für sie muss es eine unbürokratische finanzielle Unterstützung geben. Außerdem erwarten wir, dass die Stadt Mannheim gemeinsam mit den Angehörigen einen Gedenkort für A.P. am Marktplatz schafft. A.P. darf nicht vergessen werden.

Kontakt: info@initiative-2mai.de

2. Pressemitteilung vom 24.Oktober 2022

Die Polizei hat in Mannheim getötet

Die Initiative 2. Mai ruft am 2. November ab 18:00 Uhr zu einer Gedenk-Mahnwache am Marktplatz und am 5. November ab 14:00 Uhr zu einer Demonstration vom Alten Meßplatz durch die Innenstadt zum Marktplatz auf.

Vor einem Monat hat die Mannheimer Staatsanwaltschaft eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie das vorläufige Ergebnis der Obduktion mitteilte. Dort heißt es "lage- und fixationsbedingten Atembehinderung mit konsekutiver Stoffwechselentgleisung in Kombination mit einem Ersticken durch eine Blutung in die oberen Atemwege" seien die Todesursache. Die Initiative 2. Mai sagt klar: Die Polizei hat am Marktplatz A.P. getötet! Die Polizisten haben die Atembehinderung und die Blutung verursacht. Die Schläge auf den Kopf und die brutale Gewalt gegen A.P. durch die Polizei ist auf zahlreichen Handyvideos eindeutig zu sehen. Das Obduktionsergebnis zeigt auch, dass der Versuch der Polizei den Tod von A.P. auf eine angebliche Herzinsuffizienz zu schieben gescheitert ist.

Die Initiative 2. Mai kritisiert, dass trotz der eindeutigen Videobeweise und des Obduktionsergebnisses die Staatsanwaltschaft versucht die brutale Tat und die Todesursache zu verharmlosen.

Einen Tag zuvor veröffentlichte die Mannheimer Staatsanwaltschaft eine weitere Pressemitteilung. In dieser teilte sie mit, dass die Ermittlungen zum Fall am 10. Mai auf dem Waldhof eingestellt werden. Die Staatsanwaltschaft behauptet, dass der 31-Jährige sich unmittelbar nach dem Schuss der Polizei einen Stich unterhalb des Halses zufügte, welcher alleinige Todesursache sei.

Die Initiative 2. Mai glaubt, dass hier die Ermittlungen nur so schnell eingestellt wurden, weil es keine Zeug*innen oder Videobeweise gibt, die die ganze Wahrheit zeigen.

Kontakt: info@initiative-2mai.de

Mannheim, 7. Mai 2022

1. Pressemitteilung der Initiative 2. Mai

Am Samstag, den 7. Mai 2022 rief die Initiative 2. Mai zu einer Demonstration durch die Mannheimer Innenstadt auf, an der 1000 Menschen teilnahmen. In vielen Redebeiträgen wurde über Polizeigewalt in Deutschland und ihre Einbindung in gesellschaftliche Strukturen gesprochen. Gerade die Rolle von Rassismus und der psychischen Erkrankung des Betroffenen wurden thematisiert. 5 Tage zuvor, am 2. Mai, wurde ein 47-Jähriger Mann bei einem Polizeieinsatz getötet. Ein Arzt des Zentralinstituts für seelische Gesundheit hatte die Polizei gerufen.

In mehreren Handyvideos ist zu sehen, wie Beamte der Polizei Mannheim auf den Betroffenen einschlagen, während er bereits am Boden liegt. Zuvor kam es zum Einsatz von Pfefferspray. Infolge der brutalen Behandlung verstarb der Betroffene.

Die Initiative 2. Mai hat sich in Reaktion auf diesen Fall von Polizeigewalt gegründet. In ihrem Aufruf für die Demonstration schreibt die Initiative: „Es reicht! Wir fordern ein sofortiges Ende der Polizeigewalt! Wir fordern eine öffentliche Anklage und lückenlose Aufklärung!“. Yusuf As, ein Sprecher der Gruppe, sagte: „Wir trauern um den Betroffenen und sind wütend über die Polizei. Sie haben nicht nur einen Menschen auf offener Straße totgeschlagen, sondern haben gleich danach versucht alles zu relativieren. Und die Presse hat wieder einmal nur Polizeimeldungen abgeschrieben!“ Außerdem wird von der Initiative kritisiert, dass nach einem solchen Fall Polizeibeamt*innen gegen ihre Kolleg*innen ermitteln. Das könne nicht funktionieren.
Die Initiative 2. Mai ruft Zeug*innen der Tat auf, sich über die E-Mail-Adresse info@initiative-2mai.de zu melden.