Revisionsprozess am BGH – Erneut Täter-Opfer Umkehr und diskriminierende Argumentation
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil am 17. Oktober 2024 die Revision der Nebenklage
verworfen und vermutet stattdessen Rechtsfehler zulasten des Angeklagten. Der Fall wurde an das
Landgericht Mannheim zurückgewiesen. In ca. anderthalb Jahren wird neu verhandelt.
Vertreter
der Initiative 2. Mai waren als Prozessbeobachter*innen bei der mündlichen Verhandlung anwesend. Sie
verurteilen zahlreiche Aussagen der Bundesgeneralstaatsanwaltschaft und der Verteidigung als
menschenverachtend. Erneut versucht die Verteidigung den Polizisten als Opfer darzustellen, sein
Handeln als Notwehr zu rechtfertigen und den verstorbenen Ante P. als aggressiv zu diffamieren.
Nach Einschätzung des behandelnden Arztes befand sich jedoch Ante P. in einer Notsituation. Der Arzt fürchtete, dass Ante sich in Gefahr bringen könnte und bat die Polizei um Hilfe. Die Polizisten gingen von Beginn ihres Einsatzes aggressiv und harsch mit Ante um. Als sich Ante P. daraufhin gegen die zupackenden Polizisten, die er wahrscheinlich nicht als solche wahrnahm, mit zwei ungezielten Schlägen wehrte, wurde er mit Pfefferspray besprüht, mit einem Sprung in den Rücken zu Boden gebracht und in Bauchlage fixiert. Als er sich in Todesangst durch Aufbäumen und dem Entziehen der Arme aus der Fixierung gegen diese Behandlung wehrte, versetzte ihm der Angeklagte J. insgesamt vier Schläge mit der Faust ins Gesicht und lies ihn danach insgesamt 5 Minuten und 21 Sekunden reglos auf dem Bürgersteig liegen. Dies widerspricht sämtlichen Dienstanweisungen! Da bekannt ist, dass die Fixierung in Bauchlage zu lagebedingten Erstickungstod führen kann, wenn sie zu lange andauert, ist diese in Dienstanweisung strikt geregelt und wird in der Ausbildung von Polizist*innen entsprechend gelehrt.
In der Darstellung der Verteidigung, der der Bundesgeneralstaatsanwalt und die Richter*innen am Bundesgerichtshof gefolgt sind, wird Antes Versuch sich aus dieser potentiell tödliche Fixierung zu lösen als Notwehrsituation für den Polizisten umgedeutet. Der Polizist habe sich durch die Fixierung vor möglichen Bissen schützen müssen, auch habe der Polizist befürchtet, Ante könnte ein Messer aus der Tasche ziehen und ihn damit angreifen. Die tödlich endende Fixierung sei – so die Argumentationslogik - gerechtfertigt gewesen. Wie bereits in der Hauptverhandlung werden Menschen in psychischen Krisensituationen nicht als Menschen, die Hilfe benötigen wahrgenommen, sondern als potentielle Messerstecher dämonisiert.
Es ist uns unbegreiflich, wie sich die Bundestaatsanwaltschaft und der Bundesgerichtshof dieser diskriminierenden Argumentation anschließen konnten. Die Folge dieser Argumentation wäre, dass jede hilflose Person, die von der Polizei zurückgeführt werden soll, vom Bundesgerichtshof abgesegnet, in akute Lebensgefahr gebracht werden darf und sich der Euphemismus der behutsamen Rückführung als Menschenjagd mit potentiell tödlichem Ausgang entkleidet.
Eine Zusammenfassung der Verhandlung findet ihr unter Prozessbeobachtung