Beitrag der Ini in der Sendung Grenzenlos im Bermudafunk vom 16. Juli 2023
Zum Nachlesen
Jan Philipp:
Hier ist die Initiative 2. Mai. Vielen Dank an die Redaktion von Grenzenlos für die Sendezeit. Am Mikrofon Jan-Philipp Kraus mit Beiträgen von Dagmar Kohler, Sevda Can Arslan, Engin Sanli und Tanja Hilton. Am 2. Mai 2022 wurde AP am Marktplatz von der Polizei in einer Ausnahmesituation getötet. Es gibt keinerlei Rechtfertigung für diesen Einsatz massiver Gewalt und die Tötung. Bisher gibt es keinerlei Entschuldigung der Verantwortlichen gegenüber der Familie und den Freundinnen von AP. Hierzu das Statement von Dagmar Kohler.
Dagmar Kohler:
Ja, ich bin sehr wütend auf die Polizeibeamten und traurig über das gesamte Vorgehen. AP hätte Hilfe gebraucht, keine Polizei, die sich eben mit Schreien, Pfefferspray und Schlägen zuwendet. Diese tödliche Einsatzung gegen der Polizei bedroht uns alle. Auch das ZI trägt eine Mitverantwortung für die Eskalation, die noch aufgeklärt werden muss.
Jan Philipp Krauß:
Dagmar Kohler, ehemalige Arbeitskollegin von AP in den Arbeitstherapeutischen Werkstätten ATW und Werkstattbeirätin. Am Donnerstag gab das Landgericht Mannheim bekannt, dass der Prozess gegen die beiden Beamten nach zwei Jahren im Januar 2024 eröffnet wird. Die Familie wird von Rechtsanwalt Engin Sanli vertreten.
Engin Sanli:
Ich freue mich zunächst, dass es soweit gekommen ist, dass der Prozess eröffnet worden ist. Es ist natürlich für die Familie und für die Schwester des Verstorbenen sehr schwer, das Ganze zu verarbeiten. Auch dass der Prozess erst jetzt im Januar anfängt und das es so lange gedauert hat und für uns ist natürlich ganz wichtig, dass der Rechtsstaat tatsächlich funktioniert und dass tatsächlich diejenigen, die für den Tod verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen sind. Wir möchten vor allem, dass der Sachverhalt ausermittelt und aufgeklärt werden soll. Wir möchten, dass in Zukunft solche Taten vom Polizeigewalt nicht mehr passieren. Es ist leider nicht der erste Fall, und wir möchten aber, dass es der letzte Fall ist, dass nicht nur die Polizei, sondern die Landesbehörden, die Stadt Mannheim, das Land Baden-Württemberg und die Bundesrepublik ihre Verantwortung wahrnehmen und tatsächlich dafür einschreiten, dass so eine schreckliche Taten nie wieder passiert.
Tanja Hilton
Was wir letztendlich brauchen, ist beim Menschen in Notsituationen nicht den Einsatz von Polizei, die letztendlich darauf geschult sind, Gewalt auszuüben, um Sachen zu verhindern, sondern wir bräuchten ein komplett anderes System mit mehr Sozialer , die sich um solche Notlagen tatsächlich kümmern können. Es kann nicht sein, dass ein Mensch in einer psychischen Ausnahmesituation mit Panikattacken letztendlich geprügelt wird bis er stirbt, während ein Sozialarbeiter da ganz andere Hebel hätte. Das geschulte Menschen, und das müssen wir viel mehr forcieren, dass das letztendlich die Einsätze der Polizei bei solchen Sachen komplett limitiert werden, weil andere Hebel viel notwendiger sind, die aber ständig vernachlässigt werden, wo immer wieder Kürzungen im sozialen Bereich stattfinden und Menschen sich dann wundern, warum es irgendwann eskaliert.
Jan Philipp Krauß:
Uns zugeschaltet ist jetzt Frau Dr. Sefter Aslan von der Universität Paderborn. Sevda leitete eine Untersuchung zur medialen Berichterstattung nach der Tötung von AP. Sevda, kannst du uns kurz erzählen, was dabei die Ergebnisse waren und wie die Untersuchung aufgebaut war?
Sevda Can Arslan:
Vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit hier die Ergebnisse kurz zu präsentieren. Dabei haben wir uns die Berichterstattung, des Mannheimer Morgens angeschaut, und zwar vom 2. Mai an bis ein Jahr danach, und haben alle Artikel, die da erschienen sind, untersucht. Also das waren Interviews, Berichte, Reportagen. Die Untersuchung gab dann drei zentrale Ergebnisse. Es zeigt sich, dass die Perspektive der Polizei und der Behörden einen großen Raum bei der Berichterstattung einnimmt. Dagegen werden Betroffene von Polizeigewalt, Angehörige, auch Augenzeuginnen des Falls, kaum zitiert. Außerdem hat sich gezeigt, dass AP häufig beschrieben wird als zum einen psychisch krank und zum anderen mit dem Hinweis, dass er einen kroatischen Migrationshintergrund hat. Es bleibt allerdings ambivalent, wofür diese Informationen dienen. Also es ist nicht klar, ob damit jetzt erklärt werden soll, warum die Polizei so gehandelt hat oder ob das sogar legitimiert werden soll. Auf den Zusammenhang von dieser tödlichen Polizeigewalt mit Rassismus und Abelismus, also der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, wird in fast Keimen der Artikel eingegangen. Außerdem lässt sich beobachten, dass der 2. Mai weitestgehend als Einzelfall behandelt wird, also in sehr wenigen Artikeln nur in Kontext gesetzt wird mit anderen Fällen von tödlicher oder auch nicht tödlicher Polizeigewalt, die sowohl in Mannheim stattgefunden haben als auch bundesweit und international. Auf die Geschichte von Polizeigewalt in Mannheim wird nicht eingegangen, auch nicht auf die Skandale, die es schon bei der betroffenen H4-Wache gab. Nur in einem Bericht wird die tödliche Polizeigewalt einige Tage später im Mannheimer Waldhof noch erwähnt. Insgesamt haben wir über 70 Artikel untersucht.
Jan Philipp Krauß:
Vielen Dank sehr Sevda die Aufschlüsselung der Ergebnisse deiner Untersuchung. Die offizielle Veröffentlichung der Ergebnisse findet am 9. September 2023 statt, dem Geburtstag von AP. Anlässlich dieses Tagesplan, wie als Initiative 2. Mai, zusammen mit den Freundinnen und Kollegen der AP und der Fußballmannschaft des ATW, ein Gedenkspiel auf dem Swansea-Platz. Dabei gibt es auch eine Ausstellung, in welchem wir das Leben von AP als auch die Folgen und die Zeit nach dem 2. Mai darstellen werden. Ein wichtiger Teil der Ausstellung wird die Darstellung ähnlicher Fälle, wie zum Beispiel der in Dortmund mit einer Maschinenpistole getötete Mouhamed Dramé sein. Wenn ihr teilnehmen wollt, gebt uns am besten vorher Bescheid. Wir sind unter info@initiative-2mai.de erreichbar.