Sevda, in einem weißen Kleid, Antonia und Angelina jeweils in einem einem schwarzen Top und Carina Keppel sitzen an zwei nebeneinandergestellten viereckigen Holztischen. Auf dem Tisch liegen Wassserflaschen und zwei Mikrofone. Sevda hält ein Mikrophon in der HAnd. Im Hintergrund ist links ein kleiner Teil eines Bildschirms zu sehen. An den Wänden und den Aufstellern hängen Poster aus der Ausstellung " Ich will einen Richter" Die Reihe beginnt mit dem Poster Wir haben Samstags noch Basketball geespielt. Daneben hängt das Post Am liebsten hörte er die Band Queen. Auf dem Aufstellwhiteboard hängt ein Aquarellportrait sowie ein Portraitbild mit orangenem Hintergrund und dem Aufdruck Justice for Ante P.

Audioaufnahme und Transkript der Veranstaltung Polizeieinsätze in psychischen Krisensituationen

Inhaltsverzeichnis

Redaktion:

Dies ist der Mitschnitt zur Veranstaltung Polizei-Einsätze in psychischen Krisensituationen vom 31.07.2024 in Mannheim.

Awareness Konzept

Jascha:

Okay, hallo alle miteinander. Mein Name ist Jascha und ich bin die Awareness-Person für unsere gemeinsame Zeit heute.
Für alle, die noch nicht wissen, was Awareness bedeutet, wir hier vom Antidiskriminierungsbüro möchten einen Raum der Fürsorge und gegen Diskriminierung füreinander schaffen.
Wir wissen, dass Gewalt eine Realität unserer Gesellschaft ist. Damit das aber nicht unbeantwortet bleibt, bin ich heute hier.
Um für euch da zu sein, zu unterstützen und gegebenenfalls auch die Grenzen unseres Miteinanders durchzusetzen.
Solltet ihr euch zu einem Zeitpunkt unwohl fühlen, nehmt es euch heraus den Raum zu verlassen, kurz durchzuatmen und wiederzukommen.
Gerne auch gemeinsam mit mir.
Unsere Veranstaltungen beginnt jetzt in Kürze. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch jetzt noch mal schnell ein Wasser holen.
Wir haben auch einige Fidgets hier, das sind kleine Spielzeuge zur Selbstregulation. Bringt sie am Ende der Veranstaltung bitte wieder mit zurück.
Ich werde auch kurz nach der Veranstaltung ansprechbar sein. Ihr könnt aber auch uns im Nachgang anschreiben.
Und noch ein Hinweis. Heute wird der SWR online zugeschaltet sein. Dieser möchte einige Mitschnitte machen.
Falls ihr in unserem späteren Austausch unserer Fragerunde nicht möchtet, dass eure Stimme mit genannt werden soll, dann macht bitte ein kurzes Statement dazu.
Wir haben auch eine andere Gruppe hier, die eine Videoaufnahme und Tonaufnahme macht. Macht das bitte auch in diesem Fall.
Wir würden ansonsten alle anderen bitten, keine Fotos von den Zuschauer*innen hier heute zu machen.
Das Podium ist an sich frei, aber wenn ihr das wollt, bitte nur mit Anfrage und respektiert die Persönlichkeitsrechte anderer.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.

Begrüßung

Angelina Weinbender:

So, funktioniert. Ja, funktioniert. Man hört sich doppelt, aber das kriegen wir hin.
Ja, guten Abend. Ich freue mich, dass ihr trotz dieser sommerlichen Hitze es tatsächlich so zahlreich hergeschafft habt.
Ich möchte euch im Namen von INPUT, der Initiative 2. Mai und dem Antidiskriminierungsbüro Mannheim herzlich willkommen heißen.
Mein Name ist Angelina Weinbender. Ich werde den heutigen Abend moderieren.
Ich bin aktiv in der Initiative 2. Mai, spreche aber heute in meiner offiziellen Funktion als Mitarbeiterin im Antidiskriminierungsbüro Mannheim.
Ich leite im Antidiskriminierungsbüro ein Projekt, das darauf abzielt Beratungsstrukturen zum Diskriminierungsschutz bei polizeilichen Handeln zu stärken.
Die heutige Veranstaltung ist in dieser Form eben durch die Förderung des Projekts, durch das Bundesprogramm Respektland und die Rosa Luxemburg Stiftung möglich.
Deswegen möchte ich euch bitten, euch in eine Anwesenden/Teilnehmenden Liste einzutragen.
Max wird sie rumgehen lassen. Genau, das ist wichtig für uns, damit wir das Ganze entsprechend auch in Zukunft noch durchführen können.
Jascha hat ja auch darauf hingewiesen, dass wir heute ganz besonders darauf achten wollen, dass wir hier rücksichtsvoll verantwortungsbewusst und solidarisch miteinander umgehen.
Und im Zweifelsfall sich gerne wie gesagt Jalcin Jascha wenden. Genau.
Nun möchte ich aber auch offiziell unsere Referentin begrüßen. Das ist einmal Antonia Paponia, die Schwester von Ante P, der am 2. Mai 2022 beim Polizeieinsatz erstickt wurde.
Antonia kämpft seitdem dafür, dass die Landesregierung die Polizeiverantwortung für diesen tödlichen Polizeieinsatz übernimmt.
Sie wird uns heute davon berichten, was ihrem Bruder am 2. Mai widerfahren ist und gemeinsam mit Dr. Sevda Can Arslan den anschließenden Gerichtsprozess kritisch beleuchten.

Dr. Sevda Can Arslan:

Herzlich willkommen, schön, dass ihr da seid. Danke.

Angelina Weinbender:

Und ich möchte auch natürlich ganz herzlich Carina Keppel begrüßen.
Du hattest ja eine etwas weitere Anreise. Danke, dass du den Weg auf dich genommen hast bei den Temperaturen.
Carina hat eigene Erfahrungen mit psychischen Krisensituationen, arbeitet seit vielen Jahren mit Menschen mit psychischer Diagnose und setzt sich auf unterschiedlichen Ebenen für die Rechte von Menschen mit psychischen Krisenerfahrungen ein.
Sie wird heute erläutern, was Menschen in psychischen Krisensituationen benötigen und ausführen, weshalb die Polizei bei solchen Fällen keine Hilfsoption ist.
Liebe Carina, schön, dass du da bist.
Noch kurz zur Erläuterung des allgemeinen Ablaufs.
Wir werden zunächst ein Input von Antonia und Sevda hören und im Anschluss dann den Beitrag von Carina jeweils 20 Minuten.
Danach werde ich den Raum für eure Fragen öffnen und für die Fragen im Onlinechat, also dass sich da auch alle herzlich willkommen fühlen.
Ich glaube, da sind auch schon ein paar dazu geschaltet. Genau, wie viele haben wir denn, wenn ich fragen darf, so aus Neugier 25.
Genau, haben sich also auch online dazu geschaltet. Auch an alle online zu Hause, herzlich willkommen.
Genau, ich möchte, wenn ich dann später den Raum für Fragen eröffne, euch noch darum bitten, darauf zu achten, dass eure Fragen und Statements den zeitlichen Rahmen nicht sprengen und Raum für andere auch lassen.
Und um Verständnis bitten, wenn ich dann gegebenenfalls einfach auch unterbrechen werde.
Vor allem, wenn es auch darum geht, eigene Erfahrungen zu teilen, wird es, glaube ich, in diesem Raum hier schwierig sein, das im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung angemessen aufzugreifen.
Ich möchte euch daher bitten, in den Fällen sich gerne an Yalçin Yasha zu wenden. Genau, Yalçin wird dann entsprechend den Raum eröffnen.
Genau, danke für euer Verständnis.
Okay, also, wir möchten uns heute mit Polizeinsätzen in psychischen Krisensituationen auseinandersetzen.
Ein Problemfeld, hallo, hallo? Aha, brauche ich, doch, brauche ich? Okay.
Ein Problem, hört ihr mich dann jetzt noch alle? Okay, ja, besser sogar, umso besser, genau.
Schön. Also, wir sprechen heute über Polizeieinsätze in psychischen Krisensituationen.
Ein Problemfeld, dass uns insbesondere, aber nicht nur hier in Mannheim spätestens, seit dem Mord an Ante P. am 2. Mai 2022 beschäftigt.
Seitdem sind in Mannheim weitere Menschen in psychischen Krisensituationen durch Polizeisätze ums Leben gekommen.
Kurz nach Antes Tod, stirbt am 10. Mai 2022 ein weiterer Mensch in einer psychischen Krisensituation durch Schusswaffengebrauch der Polizei in seiner Wohnung.
Am 23.12.2023 erschießt die Polizei Ertekin Özkan und am 23. April 2024 einen weiteren Menschen in einer psychischen Krisenzustand an der Universität Mannheim.
Oftmals erfährt die Öffentlichkeit erst von diesen Vorfällen, wenn es Videoaufnahmen gibt oder wenn Opferangehörige und Initiativen öffentlich Aufmerksamkeit erzeugen.
Daher sind uns die Namen vieler Opfer gar nicht bekannt. Dass wir die Namen von Ante und Ertekin hier in Mannheim kennen, liegt unter anderem an dem Engagement der Hinterbliebenen und der Initiative 2. Mai.

Was geschah am 2. Mai 2022

Angelina Weinbender:

Antonia, spätestens seit dem Gerichtsprozess gegen die beiden Polizeibeamten, die deinen Bruder ums Leben gebracht haben, trittst du in die Öffentlichkeit.
Du gibst Interviews, du hältst Reden bei Kundgebung, du sitzt auf Podien, so wie hier heute. Was ist am 2. Mai 2022 passiert?

Antonia Paponja:

Mein Bruder lebt seit seinem 23. Lebensjahr in einer Psychose. Er lebte selbstständig in Mannheim in einer eigenen Wohnung und begab sich, nachdem sich sein Zustand verschlechtert hatte, am 2. Mai 2022 freiwillig mit einer Mitarbeiterin des ZI, wo er therapeutisch angebunden war,
dorthin, um stationär aufgenommen zu werden. Er sollte in die offene Station aufgenommen werden. Mein Bruder kam dort an, kam auf die Station, hat alle begrüßt und hat dann irgendwann entschieden, wiederzugehen.
Warum wissen wir nicht. Er ist dann Richtung Marktplatz gelaufen, der behandelnde Arzt ist ihm hinterher gelaufen und konnte ihn nicht dazu bewegen, zurückzukehren ins ZI.
Daraufhin hat er bei der H4-Wache geklingelt und hat dort den Polizeibeamten mitgeteilt, dass mein Bruder aufgrund von einer Eigengefährdung bitte zurück ins ZI gebracht werden soll.
Daraufhin sind zwei Polizeibeamte ihm hinterher gelaufen und es gab eine verbale Ansprache von zwei Sätzen.
Der eine Polizeibeamte sagte zu ihm, er soll bitte mit zurückkommen. Mein Bruder ist einfach weiter gelaufen, dann hat ihn der eine Polizeibeamte am Arm gepackt.
Mein Bruder hat sich entrissen, ist weiter Richtung Marktplatz gelaufen.
Die zwei Polizeibeamten haben ihm daraufhin Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, das hat nicht gewirkt laut deren Aussage.
Er ist dann weiter zum Marktplatz gelaufen vor die Metzgerei, es gibt dort quasi so eine Metzgerei und ein türkisches Kaffee.
An diesem Tag war Bayram, Zuckerfest und die Straßen waren sehr, sehr belebt. Es waren sehr viele Menschen auf der Straße an diesem Tag.
Mein Bruder ist gelaufen, der eine Polizeibeamte hat ihn zu Boden gerissen und sie haben versucht quasi ihn zu fixieren und ihn in Handstellen zu legen.
Mein Bruder hat sich gewährt, hat um Hilfe gerufen, daraufhin hat sich eine große Menschenmenge gebildet und die Menschen haben gesagt, zu den Polizeibeamten hört auf, der man tut doch nichts.
Daraufhin hat ein Polizeibeamter ihm zwei Faustschläge gegen den Kopf quasi verpasst und laut Zeugenaussagen äußerte der Polizeibeamte nach den Schlägen, wenn du keine Ruhe gibst, dann gibt es noch ein paar.
Nach den ersten zwei Schlägen hat er dann noch zwei Faustschläge quasi versetzt bekommen.
Man hat ihn dann fixiert, hat ihn in Handstellen gelegt, hat auf ihm gekniet nach den Schlägen, hat mein Bruder Nasenbluten bekommen.
Eine Frau, die in der Menge stand, ist in die Bäckerei gelaufen, hat Wasser geholt, hat gesagt, gibt dem man Wasser, der eine Zeuge hat gesagt, der man atmet nicht mehr.
Der Polizeibeamte antwortete daraufhin, doch er atmet noch und man hat ihn sechs Minuten lang unversorgt liegen gelassen.
Mein Bruder verstarb am Marktplatz, es gab viele, viele Zeugen, viele, viele Videoaufnahmen, die Videoaufnahmen gingen direkt viral danach.
Es wurde von Seiten der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben gegen den einen Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge und dem anderen wegen Unterlass nach Hilfeleistung.
Genau so viel zum zweiten Mai.
Danke.

Kritische Perspektiven auf die tödliche Polizeigewalt und den Gerichtsprozess in Mannheim

Angelina Weinbender

In einer Pressemitteilung vom 19. Juni dieses, diesen Jahres macht die Initiative 2. Mai darauf aufmerksam,
dass diskriminierende Polizeigewalt kein Einzelfall ist und ein tatsächlich bundesweites, sogar europaweites Problem darstellt.
Weiter heißt es in der Pressemitteilung immer mehr Angehörige von Opfern von Polizeigewalt und von rassistischer Gewalt ermitteln in ihren Fällen selbst.
Die wenigsten Fälle von Polizeigewalt gelangen vor Gericht, noch weniger Fälle führen zu einer Verurteilung.
Selbstorganisierte Prozessbeobachter*innen halten immer wieder fest, Polizeizeugen wird mehr Glauben geschenkt,
Migrantisch gelesenen Zeug*innen werden als unglaubwürdig dargestellt, filmende Zeug*innen, die Zivilcourage zeigen,
tauchen vor Gericht als aggressive Schaulustige auf, Strafverteidiger argumentieren in den überwiegenden Fällen von Polizeigewalt,
das Herzversagen oder Selbstmord zum Tod der Opfer geführt hätten und diese Aussagen werden dann meist mit teuren Privatgutachten gestützt.
Eine Studie von Tobias Singelstein bestätigt das Ganze, demnach kommt tatsächlich weniger als 2% der Fälle von Polizeigewalt vor Gericht
und weniger als 1% enden mit einer Verurteilung.
Im Fall von deinem Bruder Antonia kam es tatsächlich sowohl zu einem Gerichtsverfahren als auch zu einer Verurteilung.
Du bemühst sich seitdem um ein Revisionsverfahren.
Was kritisierst du und auch die Initiative 2. Mai an dem Verfahren und warum ist das Urteil deiner Ansicht nach ungenügend?

Antonia Paponja

Von Seiten des Gerichts wurde ein Gutachten der Rechtsmedizin Heidelberg eingeholt,
das zu der Feststellung kam, dass mein Bruder an einem lagebedingten Erstickungstod verstorben ist.
Daraufhin hat die Verteidigung zwei Privatgutachten in Auftrag gegeben,
die das Gutachten der Rechtsmedizin Heidelberg ausgehebelt haben und alles auf Vorerkrankungen und Herzerkrankungen quasi geschoben haben.
Man muss dazu sagen, diese Privatgutachter waren bei der Obduktion nicht dabei
und wurden auch privat bezahlt, um dieses Gutachten zu erstellen.
Das heißt, das einzige unabhängige Gutachten war das von der Rechtsmedizin Heidelberg.
Die Privatgutachter traten sehr, sehr aggressiv auf vor Gericht,
der eine Gutachter äußerte, dass übergewichtige Menschen, die am Strand liegen, ja auch nicht ersticken
und das ja allgemein bekannt sei, dass von schizophrenen Menschen eine Gefahr ausgeht.
Die Verteidigung sprach mehrfach von einer Festnahme, derer sich mein Bruder widersetzt habe
und von einer Notfallsituation für die Beamten, weil mein Bruder hätte ja einen gefährlichen Gegenstand aus der Tasche holen können.
Die Eigengefährdung hätte ja umswitchen können in eine Fremdgefährdung.
Er hätte ja auf die Straße rennen können und Verkehrsteilnehmer behindern können
und deshalb seien die Schläge gegen den Kopf notwendig gewesen, aufgrund von Eigenschutz.
Die Rechtsmedizinerin von Heidelberg beschreibt die letzten Minuten meines Bruders als Todeskampf.
Er hat versucht, dieser Situation zu entkommen, weil er keine Luft mehr bekommen hat
und das wurde komplett umgedeutet im Verfahren von der Gegenseite.
Die zivilen Zeugen wurden sehr, sehr aggressiv befragt.
Viele haben dann gesagt, sie sagen jetzt nichts mehr.
Einer hat gesagt, man soll bitte aufhören, ihn so zu befragen.
Er leidet an Panikattacken und wenn man ihn so befragt, dann bekommt er Panikattacken.
Also es wurde sehr, sehr aggressiv vorgegangen.
Im Gegensatz zu den Polizisten, die als Zeugen ausgesagt haben,
den wurde viel mehr Glaubwürdigkeit geschenkt.

Dr. Sevda Can Arslan

Ich würde vielleicht noch ergänzen, dass deine Mutter gesagt hat,
sowohl während des Prozesses soll es auch danach, dass für sie...
Sorry, ich habe gerade eine angeschlagen Stimme.
Die Mutter von Antonia und Ante hat nach dem Prozess gesagt,
für sie ist ihr Sohn ein zweites Mal gestorben in dem Prozess.
Zum einen, weil die Art, wie über ihn gesprochen wurde, so schlimm war
und so diskriminierend und überhaupt nicht ihrem Sohn als Menschen gerecht wurde.
Genau das sie gesagt hat, für mich ist er hier ein zweites Mal gestorben.
Und das fand ich völlig verständlich,
auch aus der Perspektive von uns als Prozessbegleitung,
die quasi nicht mit bei der Nebenklage sitzen.
Das war also so viel Stigmatisierung.
Wir hatten jetzt von Antonia ein paar Beispiele gehört,
was die Verteidigung der Gutachter der Verteidigung gesagt hat,
was die Verteidigung vorgebracht hat.
Und deswegen, das war ein Schlag ins Gesicht von allen Menschen mit psychischen Diagnosen.
Und das war wirklich schlimm.
Eine Sache noch, weil du hast es gerade gesagt,
wir versuchen oder Antonia und ihre Mutter versuchen gerade Revision einzulegen
oder haben Revision eingelegt und es wird wahrscheinlich hoffentlich
zu einem weiteren Verfahren kommen und das kostet alles unglaublich viel Geld.
Deswegen würde ich euch darum bitten,
vielleicht, ich weiß nicht, wer von uns die Spendendose dabei hat,
wenn ihr ein paar Euro übrig habt.
Hier sind ja schon einige Leute im Raum oder auch die, die online mit dabei sind.
Unterstützt die Spendenkampagne, gibt ein paar Euro.
Das hilft, also wirklich jeder Euro hilft,
gerade den Angehörigen, um Gerechtigkeit irgendwie noch zu erreichen.

Das Urteil im Prozess Ante P.

Angelina Weinbender:

Ja bitte, ich wollte auch fragen, das Urteil, also was,
zu welchem Urteil ist der Richter gekommen in dem Fall?

Antonia Paponja:

Genau, der eine Polizeibeamte wurde frei gesprochen
und der andere verurteilt wegen Körperverletzung im Amt
und das, also auf Bewährung und das heißt,
dass beide Polizeibeamte in den Polizeidienst zurückkehren.

Dr. Sevda Can Arslan:

Also die Strafe, es gab dann eine Geldstrafe für den einen Polizeibeamten
von insgesamt 6000 Euro.
Das hat mit den Tagessätzen zu tun, die mit seinem Einkommen zu tun haben.
Genau, und als dann eben gesagt wurde so und so viel Tagessätze a 50 Euro,
da gab es einen empörten Schrei in Gerichtssaal,
da hat eine Person gerufen 50 Euro für einen Menschenleben
und hat damit zum Ausdruck gebracht, was vielen,
die den Prozess schon lange begleitet haben,
auch in diesem Moment durch den Kopf gegangen ist.

Angelina Weinbender:

Danke erst mal dafür, wenn ihr keine weiteren Punkte habt,

Was benötigen Menschen in einer psychischen Krise

Angelina Weinbender:

würde ich tatsächlich zu Carina kommen.
Carina, du hast ja jetzt auch die Schilderung gerade zu Beginn
von Antonia mitbekommen, wie der Arzt, wie auch die Polizei eben
auf Ante reagiert haben.
Mir stellt sich da immer die Frage, ob und wie man eigentlich hätte
Ante an diesem Tag helfen können sollen.
Vielleicht daher auch aus deiner Erfahrung und deiner Auseinandersetzung
mit dem Thema, was benötigen Menschen, die in einer psychischen Krise
sich befinden bzw. kann man solche Krisensituationen vermeiden
oder abmildern auch, dass die sich nicht steigern.
Genau, das.

Carina Kebbel:

Mir sind jetzt bei den Schilderungen erstmal ganz viele Fragen gekommen.
Also, wenn er ja freiwillig ins Krankenhaus gegangen ist
und dann aus welchen Gründen auch immer entschieden hat, wieder zu gehen,
wo kam dann überhaupt der Gedanke einer Selbstgefährdung her?
Und wenn er das geäußert hat bei dem Arzt und er deswegen besorgt war.
Also, für mich sind so viele Fragen, dass ein Arzt überhaupt dann hinterhergeht.
Ich verstehe super viel daran nicht, was da passiert ist
und fragt mich, wieso sind da so viele Sachen sehr ungewöhnlich gelaufen?
Also, so nach meinem Kenntnisstand.
Ich krieg es auch mit, dass Menschen in die Klinik gehen
und sich dann umentscheiden aus irgendwelchen Gründen.
Da muss es ja schon eine sehr konkrete und unmittelbare Selbstgefährdung gegeben haben,
dass man auf so eine Idee überhaupt kommt.
Das sind die ersten Fragen.
Und was ich so höre von den Schilderungen der Polizisten,
das war dann halt so eine Fortführung von dem, wie es nicht laufen sollte.
Weil ich glaube, was Menschen in psychischen Krisen ja brauchen,
ist ein ruhiges, empathisches Auf sie zugehen.
Da gehört Pfefferspray definitiv nicht zu dem Repertoire, was man anbieten sollte.
Ich gehe davon aus, dass die meisten Menschen, die in psychischen Krisen sind,
Ängste haben, ob die jetzt durch irgendein psychotisches Erleben
oder durch Panikattacken oder sonst irgendwas ausgelöst sind.
Aber das ist eigentlich völlig normal, dass man Menschen, die Ängste haben,
nicht noch weiter bedrängen soll.
Also, ich kann das Vorgehen überhaupt nicht verstehen,
weil es allem widerspricht, wie man eigentlich so eine Krisenunterstützung anbieten sollte.
Und tatsächlich ist es natürlich so, die Polizei denkt halt in schnellen Lösungen,
die Polizei ist auf Gewalt ausüben konditioniert.
Das heißt, man muss sich dann schon fragen,
ist das dann überhaupt die richtige Stelle, die in so einer Krise gerufen werden sollte?
Und massive Gewalt bei einer drohenden Selbstgefährdung anzuwenden,
erscheint mir völlig unsinnig, also mit nichts zu rechtfertigen.

Angelina Weinbender:

Wie sieht denn für dich ein angemessener Umgang aus?
Also, vielleicht kurz, wie sieht denn für dich ein angemessener Umgang
in solch einer Krisensituation aus?
Was passiert da? Wie geht man damit um?

Carina Kebbel:

Also, ich habe einen sehr interessanten Podcast gehört,
ich glaube Radio Nordpol war das, da war jemand vom Krisendienst in Berlin
und hat so ein bisschen berichtet von der Arbeit, die die dort machen,
wo sie eben gerufen werden bei allen möglichen Krisen,
auch bei, wie haben sie es genannt, Psychiatriekontakte,
also das waren die Menschen, die vorher schon mal in psychiatrischer Behandlung waren
oder in irgendeiner Unterstützungsform waren.
Da haben sie eine Zahl genannt von, ich glaube, 2.000 Irgendwas im Jahr 2022,
wo sie in Krisen gerufen wurden mit Menschen, die psychiatrische Diagnosen und Vorgeschichten haben.
Und die gehen dort aber anders vor, die gehen dort mit Zeit,
personenzentriert, ressourcenorientiert, sie gucken, was ist der Auslöser der Krise,
sie beschäftigen sich wirklich mit den Menschen
und können das dann ganz in den allermeisten Fällen deeskalieren,
ohne dass die Polizei da überhaupt dazu gerufen werden muss.
Aber es ist eben ein psychosozialer Blick auf den Menschen
und kein Blick durch die Brille eines Polizisten.
Also ich glaube, es geht darum, was sehe ich, wenn ich in so eine Situation komme?
Wie nehme ich die Situation wahr und wie reagiere ich dann?
Und Ruhe und Empathie und erstmal verstehen wollen, was ist hier überhaupt los, ist das Wichtige?

Angelina Weinbender:

Du sprichst jetzt von Berlin, gibt es ähnliche Anlaufstellen hier in Baden-Württemberg?
Weißt du dazu etwas?

Carina Kebbel:

Es wurde ja versucht, Krisendienste hier in Baden-Württemberg auch zu etablieren,
wobei das, was glaube angedacht war, nicht in die gleiche Richtung gegangen wäre wie in Berlin.
Da hat sich das ja wohl auch schon sehr lange entwickelt.
In dem Podcast hieß es, da gibt es das schon seit 2001.
Und es ist wirklich ziemlich durchdacht, was man da so hört.
Ich glaube, dass was hier aufgebaut worden wäre, wäre da nicht ran gekommen,
aber es wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen.
Aber der letzte Stand, den ich dazu mitbekommen habe, ist, dass das hier wohl aktuell doch nicht kommen wird.

Angelina Weinbender:

Okay, das heißt, was würdest du empfehlen?
Angehörigen, Betroffenen, Passant*innen?
Wie geht man, wie reagiert man im Falle einer psychischen Krisensituation,
wenn man vor allem es vermeiden möchte, die Polizei zu rufen?

Carina Kebbel:

Also ich finde schon im Falle einer psychischen Krisensituation schwierig,
weil jede Krise ist anders, jeder Mensch ist anders.
Also es gibt leider keine Patentrezepte, wo man sagen kann,
so wie bei einem medizinischen Notfall mit einer stabilen Seitenlage macht man nichts verkehrt oder so.
Sondern ich glaube, es geht erstmal darum, in Kontakt zu den Menschen herzustellen, der in der Krise ist,
und zu gucken, was ist hier, der Mitarbeiter von dem Krisendienst hat es so schön formuliert,
den Unterschied zwischen psychosozialer Krise und psychiatrischer Krise erstmal.
Also von was reden wir hier überhaupt, was ist überhaupt, was hatte Ante an dem Tag für ein Problem,
warum ist er in die Klinik gegangen?
Erst mal das Gespräch suchen und ganz anders drauf zu gehen und gucken, was ist hier los.
Und das hätte ich natürlich in dem Fall, so wie ich es gehört habe, von dem Arzt erwartet.
Also die Polizei zu rufen, das erscheint mir dann angezeigt,
wenn jemand wirklich irgendwo akut in der Situation ist, wo man denkt, jetzt tut er sich was an,
aber in allen anderen Situationen braucht es ein anderes Vorgehen.

Angelina Weinbender:

Das heißt, für mich jetzt nochmal auch die Frage,
weil gerade wir hatten jetzt beispielsweise auch den Fall mit Ertekin,
der im Fall von Ante, Ante war ja unbewaffnet, also da war kein Bedrohungspotenzial
zumindest für Passanten irgendwie wahrnehmbar.

Narrative über psychische Krisen und Auswirkungen Sozialer Ungleichheit (am Beispiel Ertekin/Mouhamed)

Angelina Weinbender:

Wir hatten in Mannheim hier den Fall von Ertekin Özkan, der tatsächlich ein Messer in der Hand hatte
und mit freien Oberkörper im Winter bei Minusgraden, im Freien war,
er hatte selbst die Polizei gerufen, die Polizei kannte ihn auch
und die Reaktion der Polizei waren vier Schüsse, einer direkt ins Herz.
Da waren die Angehörigen, die ja auch darauf reagieren wollten,
also die mit Ertekin sprechen wollten, die Nachbarn, die die Situation anders regeln wollten,
wurden gar nicht durchgelassen, genau.
Und Ertekin ist dann verstorben.
Also auch da jetzt wieder die Frage, Polizeieinsätze im psychischen Krisensituation.

Carina Kebbel:

Ich glaube, was da halt mit rein spielt und was man nicht raushalten kann,
sind diese ganzen Narrative, die da irgendwie mit drin hängen
und gerade wenn dann irgendwie auch noch ein Messer irgendwie im Spiel ist,
dann gibt es glaube da so Narrative und Szenarien, die insbesondere Polizisten,
aber auch viele Menschen, die einfach allgemein Medien konsumieren, einfach so im Kopf haben,
die jetzt mit dem konkreten Sachverhalt vielleicht gar nichts zu tun haben,
die dann aber die Wahrnehmung der Situation prägen.
Und das war tatsächlich auch sehr spannend.
Ich glaube, es ging um Mouhamed Dramé wo in dem Gerichtsverfahren dann auch irgendwie Polizisten
dann Wort wie Messertäter und so verwendet haben.
Und an solchen Worten merkt man, also die Schilderung, die ich da gehört habe,
war, da saß jemand auch mit Selbsttötungsabsicht in einem Bereich, wo keine anderen Menschen waren.
Und wenn ein Polizist aber in die Situation reingeht und solche Narrative mit Messertäter im Kopf hat,
dann prägt das seine Wahrnehmung der Situation.
Und ich habe mir dazu mal so ein paar Gedanken gemacht.
Ich arbeite ja auch in einer Einrichtung mit Menschen, mit psychiatrischen Diagnosen.
Wir haben da auch eine Kochgruppe.
Das heißt, wenn man jetzt einem Polizisten ein Bild hinlegt mit einem Menschen und sagt,
dieser Mensch hat eine psychiatrische Diagnose und dieser Mensch hat auf dem Bild ein Messer in der Hand,
dann gehen bei dem Polizisten ganz bestimmte Szenarien im Kopf los.
Und er denkt an Gewalt und Wörter wie Messertäter und überhaupt,
wenn man mir dieses Bild vorlegt von der Person mit einem Messer in der Hand
und sagt, das ist ein Mensch mit einer psychiatrischen Diagnose,
dann denke ich an Kochgruppe, Unfallgefahr und so was, die Person könnte sich verletzen.
Und je nachdem, was ich sozusagen in so eine Situation reininterpretiere,
so verhalte ich mich in der Situation.
Also ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Faktor.
Und das ist auch das, dass die Polizei geht einfach immer von der Bedrohung auch für sie aus.
Das heißt, in deren Kopf ist das auch so, wie sie es dann schildern auch bei so einer Vernehmung.
Aber das ist nicht die Realität, die auch neutrale Passanten sehen, die vorbeikommen.
Also ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Faktor, warum das auch so eine Entwicklung ist, die sich zuspitzt.

Dr. Sevda Can Arslan

Ich würde das gern kurz ergänzen.
Vor allen Dingen, du hast jetzt den Fall angesprochen mit Mouhamed Lamine Dramé
Das war ein Junge, der unbedingt nach Dortmund wollte, als er in Deutschland angekommen ist,
weil er Fan von dieser Fußballmannschaft dort ist.
Und an dem Tag, an dem er erschossen wurde, ein gelbes T-Shirt trug auf dem Free Hugs to save the world drauf stand.
Also das ist die Situation gewesen, dass er in diesem Hinterhof war, mit anscheinend einem Messer.
Und genau, ihm wurde begegnet auf Sprachen, die er nicht verstanden hat.
Ich glaube, es waren so zwölf Sekunden Zeit, die es da gab.
Und dann Taser und Maschinenpistole.
Und das war, also ich finde, da sind auch nochmal die anderen Merkmale.
Du hast jetzt gesagt, je nachdem wie der Polizist oder die Polizei, die Polizistin, die Situation interpretiert.
Ich glaube, hier wird nochmal deutlich was, aber die strukturellen Probleme sind die da hinten dranstecken.
Nämlich eben diese ganzen Dimensionen von Rassismus, von der Feindlichkeit gegenüber Menschen mit psychischen, psychiatrischen Diagnosen also Ableismus.
Und dann eben noch jeweils andere Kategorien, je nachdem was noch, was jetzt in dem spezifischen Fall mit dabei ist.
Also es ist nicht nur eine individuelle quasi Zuschreibung, die jetzt der Polizist da jetzt trifft, sondern da steckt halt ein komplettes System von Ungleichheit hinten dran.
Was in unserer Gesellschaft so präsent ist, dass, das haben wir gesehen, in dem Gerichtsverfahren alle sich darauf berufen können.
Der Staatsanwalt hat sich letztendlich darauf berufen, die Verteidigung von den zwei Polizisten, der Richter in seiner Urteilsbegründung.
Da sind einfach die kompletten, also alle möglichen Dimensionen von Ungleichheit, die wir in der Gesellschaft haben, wurden dort quasi zu einem Urteil gemacht.
Und das finde ich, und das 2024 fand ich das richtig, richtig schlimm.
Also dass das immer noch der aktuelle Stand in der Bundesrepublik Deutschland ist, das so geurteilt und so gesehen wird und auch du hast die Medien angesprochen.
Ich bin Medienkommunikationswissenschaftlerin, ich gucke mir gerade die Berichterstattung von Mannheimer Morgen an über den Fall.
Und ich will eigentlich gar nicht Fall sagen, genau über die Polizeigewalt, die tödliche Polizeigewalt gegenüber Ante P.
Und natürlich verweisen die auch wieder auf diese ganzen, auf diese ganzen Diskriminierungsformen, auf diese ganzen Ungleichheitsformen.
Und das ist echt eine riesige Arbeit, die wir da vor uns haben, um das immer wieder aufzudröseln und zu sagen, nein, das stimmt nicht, was dieser Gutachter gesagt hat.
Von allen Schizophrenen geht eine Gefahr aus.
Also völliger Quatsch, offensichtlich ging die Gefahr hier von den zwei Polizisten aus.
Und er dreht das um und das ganze Verfahren drehte sich nur darum, hier eine Täter Opferumkehr zu betreiben und die Gefahr bei einer Person, die schutzbedürftig ist, die hilfsbedürftig ist, die Gefahr bei ihr zu verorten.
Und das mithilfe von diesen ganzen Dynamiken, die wir jetzt gerade beschrieben haben.
Ja, das macht mich sehr wütend.

Kann ein Gerichtsprozess Gerechtigkeit schaffen?

Angelina Weinbender:

Am Ende kamen sie auch in der Urteilsverkündung dann an den Punkt, dass sie sagten, okay, also es kann ja praktisch nicht nachgewiesen werden, dass Ante P. jetzt aufgrund dieses Polizeieinsatzes gestorben ist.
Er wäre vielleicht so oder so an dem Tag verstorben.
Das ist ja so das erste, was einem aufstößt und genau das, also das sind diese Argumentationen, die einen zweifeln lassen, inwieweit da tatsächlich eine Gerechtigkeit durch ein Prozess, durch ein Gerichtsurteil hergestellt werden kann.
Mit diesem Urteil sind ja auch viele weitere Konsequenzen verbunden, beispielsweise auch, wenn es darum geht, was Entschädigung anbetrifft.
Für dich und deine Mutter hat sich ja einiges geändert seit dem Tod von deinem Bruder.
Hast du irgendwelche Art Unterstützungen erfahren von irgendwie eine Möglichkeit, Beerdigungskosten zu tragen, irgendwie eine Entschädigung für andere Ausfälle?
Vielleicht kannst du uns auch dazu noch was sagen, weil vieles davon hängt ja auch dann wiederum mit diesen Gerichtsurteilen zusammen.

Antonia Paponja:

Genau. Wir haben nach dem Vorfall keinerlei Unterstützung erhalten von niemanden.
Keiner hat sich entschuldigt. Wir mussten alles alleine tragen von Beerdigungskosten, die Wohnung ausräumen.
Genau. Ich hatte eine neue Stelle angetreten, konnte diese dann nicht mehr ausüben.
Ich bin eine Sozialarbeiterin. Ich habe auch in einer psychiatrischen Nachsorgereinrichtung gearbeitet mit Menschen mit psychiatrischen Diagnosen.
Und daher weiß ich, dass die Polizeibeamten an dem Tag einfach alles falsch gemacht haben, was man überhaupt falsch machen kann.
Und das zeigt mir auch, dass Polizeibeamte im Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht gut ausgebildet sind.
Das hat sich auch in der Verhandlung gezeigt, als ein Lehrer der Polizeischule quasi als Zeuge gerufen war und da gar keinerlei konkreten Aussagen machen konnte.
Inwiefern Polizei überhaupt ausgebildet ist im Umgang mit psychischen Erkrankungen.
Er sprach immer von irgendwelchen Standards.
Genau. Das heißt also alles, was noch danach kam, die Verhandlungen, die uns noch mal traumatisiert hat, Arbeitsplatzverlust.
Genau. Also da kam noch viel, viel danach auf uns zu.

Dr. Sevda Can Arslan

Also ich finde an dem Punkt wird auch nochmal deutlich, wie sich die Ungerechtigkeit finanziell auch jetzt gerade in den letzten zwei Jahren durchgesetzt hat.
Also die Gewerkschaft der Polizei, bei dem anscheinend einer der Polizisten Mitglied war, auf jeden Fall hat diese Gewerkschaft der Polizei sofort die Kosten für die, also hat die Anwälte bezahlt,
Anwält*innen von den Polizist*innen hat sich um die Finanzierung der Gutachten gekümmert, alles Mögliche.
Es gab am Ende sogar eine Spendenkampagne der Gewerkschaft der Polizei für die Strafe des Polizisten.
Das muss man sich mal überlegen, was das bedeutet.
Und diese ganze finanzielle Macht, diese ganzen materiellen Möglichkeiten, diese ganzen, zum Beispiel, dass der Sprecher oder der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei ständig in den Medien genannt wurde
und immer wieder quasi verlautbaren konnte, was ihr Narrativ ist, das steht halt im krassen Kontrast dazu, was die Möglichkeiten von Angehörigen sind in so einer Situation.
Wir erleben das jetzt, wir sind gut vernetzt auch mit den Kollegen in Dortmund mit der Initiative, wir sind mit Justice for Sammy, den Angehörigen vernetzt.
Also mit allen, denen wir sprechen, es ist immer dasselbe.
Natürlich reißt es den Angehörigen erstmal, dem Boden unter den Füßen weg, was da überhaupt passiert, das ist klar.
Aber dann stürzt es einfach auch, also stürzen diese ganzen materiellen Fragen, diese ganzen Kosten auf sie ein.
Die Fragen, woher kriegen wir jetzt einen Anwalt, eine Anwältin, was sind überhaupt unsere Rechte, woher kriegen wir alles?
Das sind alles so wichtige, also existenzielle, existenzielle Fragen, die für die es einfach keine Struktur gibt.
Während die auf der Täter-Seite, auf der Täter*innen-Seite gibt es eine komplette Struktur.
Also das haben wir auch gesehen im Prozess, die ganzen Kamerad*innen von der Polizei, die kamen immer alle zum Prozess und so weiter und so fort.
Es scheint gängige Praxis zu sein, das wissen wir von anderen Polizeiverfahren oder Verfahren wegen Polizeigewalt.
Es scheint gängige Praxis zu sein, dass die Kolleg*innen angehalten werden auch in ihrer Dienstzeit dann zu diesen Verfahren zu gehen.
Und das ist so eine ungerechte Verteilung von Macht, während die Angehörigen hier natürlich irgendwie gucken müssen, wie kriege ich überhaupt frei,
damit ich da den Prozess wegen dem Tod meines Cousins besuchen kann und schaffe ich das überhaupt rechtzeitig dazu sein.
Und komme ich dann überhaupt noch rein, weil natürlich der Saal schon fast zur Hälfte voll oder Überhälfte voll mit Polizei ist.
Also das sind alles diese Fragen, die uns richtig deutlich geworden ist.
Wir brauchen auf der Seite von den Opfern und Angehörigen von Polizeigewalt brauchen wir eine Struktur,
die das irgendwie auffangen kann, zumindest zum Teil auffangen kann, was da an Ungerechtigkeit geschieht,
um überhaupt eine Gegenmacht herzustellen gegenüber diesem übermächtigen Apparat, den eben die Polizei mit allen in umliegenden Institutionen darstellt.

Antonia Paponja:

Auch nochmal zur Ergänzung zu diesem Urteil, dass wir mit diesem Urteil, wir können quasi keine Leistung nach dem Opferentschädigungsgesetz beantragen,
wird aktuell noch geprüft, das ist vielleicht auch wichtig zu wissen zu diesen Urteilen.
Und man kann auch keine zivilrechtlichen Ansprüche geltend machen.
Und dann kann man ja auch dazu Hypothesen bilden, warum das so ist.

Dr. Sevda Can Arslan

Kann ich noch was sagen?
Wenn ich zu viel sage, da muss mich stoppen.

Angelina Weinbender:

Kannst noch was sagen, gerne. Und dann werde ich noch eine Frage an Carina tatsächlich.

Dr. Sevda Can Arslan

Ich habe zu dieser Ungerechtigkeit Antonias gerade gesagt, zivilrechtlich vorgehen.
Also eine Sache, die ja ständig auch in den Medien kolportiert wurde, war, wie schlimm es den armen Polizisten danach ging,
nachdem sie Ante umgebracht haben und wie viel Hass sie in den sozialen Medien abbekommen haben.
Dafür wurde dann extra eine Kollegin abgestellt, die nichts anderes gemacht hat, als die ganze Zeit die Kommentare zu lesen
und den Leuten hinterher zu gucken und die Anzug klagen und dafür dann Gelder zu bekommen, die natürlich an die Polizisten gehen.
Das sind alles Ressourcen, die haben jetzt die Angehörigen nicht.
Und das ist, glaube ich, voll viel nicht bewusst, auf wie viel Ebenen da so eine krasse Ungerechtigkeit passiert ist in den letzten Jahren
und immer wieder passiert. Also ich meine, das ist jetzt ein Fall von Tausenden in diesem Land und von Millionen auf der Welt.

Verunsicherungen / Bedrohung

Carina Kebbel:

Darf ich dazu was sagen, was mich da jetzt die ganze Zeit schon beschäftigt.
Das schlimmste, neben dem es ist ein Mensch ums Leben gekommen ist, dass diese Polizisten noch weiter im Dienst sein dürfen,
weil, also es hat sich für mich jetzt heute irgendwie komisch angefühlt, in eine Stadt zu fahren, wo ich weiß, dass es Polizei gibt,
die doch, sagen wir mal, etwas schrägen Umgang mit Menschen, mit psychiatrischen Krisen hat.
Und da, ja, also ich meine, natürlich sind das hier auch nicht alle Polizisten und so, aber da merkte ich so am eigenen Leib,
wie solche Geschichten, die dann irgendwie passieren, einen auch beeinflussen.
Und ja, also es hat mir ein bisschen, ich habe früher hier gewohnt, ein bisschen Angst gemacht, heute nach Mannheim zu fahren,
weil ich gedacht habe, okay, das ist eine Stadt mit einer sehr gewaltbereiten Polizei offensichtlich.

Wissenschaft bedient Narrative gegen Menschen in psychischen Krisen

Angelina Weinbender:

Wir hatten ja auch in unserem Vorgespräch, Carina, hattest du, glaube ich, auch eine Studie von Thomas Feltes, meine ich erwähnt.
Korrigiere mich, wenn ich falsch liege.

Carina Kebbel

du, welchen Artikel?

Angelina Weinbender:

Ein Artikel, genau, wo es dann auch hieß, 75 Prozent,

Carina Kebbel:

ne,ne.

Angelina Weinbender:

ja, bitte

Carina Kebbel:

Das war nicht dieser Artikel, nein also da muss man Herr Feltes in Schutz nehmen.
Aber es gibt tatsächlich einen wissenschaftlichen Artikel von einem Professor, wo eben auch formuliert wird,
75 Prozent der Männer mit einer Psychose würden irgendwann gewalttätig werden oder Schizophrenie.
Und ich glaube, 53 Prozent der Frauen.
Das heißt, es gibt solche wissenschaftlichen Fachartikel, so nennen sie sich zumindest, die im Umlauf sind,
wo natürlich diese ganzen Narrative, also all das wird sozusagen transportiert und in die Welt gesetzt.
Und dann kommen Gutachter zu so Einschätzungen und gehen von einer Zwangsläufigkeit aus.
Und die ist so nicht gegeben, weil wenn die so wäre, das würde ich mitbekommen.

Angelina Weinbender:

Ich glaube, meine Frage zielte eher darauf, dass die Opfer, die bei Polizeieinsätzen, ums Leben kommen,
in der überwiegenden Mehrheit, unter anderem eben auch in einer psychischen Krisensituation, sich befinden.
Genau, also das, wir sortieren uns einen kurzen Augenblick.

Carina Kebbel:

Das findet sich aber besser und schneller.

Angelina Weinbender:

Also ich meine, die Zeitschrift Cilip beispielsweise veröffentlicht ja auch Zahlen dazu.

Carina Kebbel:

Genau.

Angelina Weinbender:

Genau.

Carina Kebbel:

Und ich habe hier einen Artikel von Asmus Finzen, auch tödliche Polizeischüsse, schlechte Karten für psychisch Kranke,
der sich, der Artikel ist von 2014 schon damit beschäftigt hat,
dass zum Stand 2014 seit 2007 in Deutschland mindestens 16 psychisch Kranke in der Auseinandersetzung
mit der Polizei ums Leben gekommen sind.
Und das sind eben die Fälle, wo es dann ganz klar ist.
Also Fälle, wo es durch Ersticken oder sowas passiert ist, die tauchen ja da noch gar nicht auf.
Also das heißt, es ist auch schon länger ein bekanntes Problem, was einfach viel zu wenig bekannt ist.

TEIL II - Fragen aus dem Publikum

Angelina Weinbender

Okay, dann möchte ich an diesem Punkt gerne den Raum für Fragen öffnen.
Ich möchte noch mal darauf hinweisen, dass hier gefilmt und mitgeschnitten wird, also Ton- und Bildaufnahmen gemacht werden.
Wer also nicht mitgeschnitten oder gefilmt werden möchte, sagt das bitte vorab.
Wir haben alle Anwesenden darauf hingewiesen und diese Mitschnitte dürfen dann nicht veröffentlicht werden.
Deswegen, wenn euch das unangenehm ist, wenn ihr das nicht möchtet, sagt das bitte vorab dazu.
Genau.
Okay, gibt es Fragen?
Okay, wenn es jetzt gerade hier vor Ort keine Fragen gibt, würde ich vielleicht mal in den Online-Chat reingucken wollen.
Gibt es da Meldungen, möchte jemand einen Wortbeitrag aus dem Chat oder gibt es Fragen, die formuliert wurden?
Schriftlich.

Bodycams – tatsächlich hilfreich?

Fragesteller*in 1:

Okay, also erstmal mein Beileid an die Angehörigen.
Ich habe jetzt zwei Fragen.
Die Sache ist ja die, dass Polizei in der Stadt dachte, die müssen jetzt neuerdings dieser Bodycam rumlaufen.
Kann es sein, dass das in dem Fall von dem Ante ausgeschaltet war und es bei den anderen zwei Fällen war die auch ausgeschaltet?
War das Thema in dem Gerichtsverfahren oder nicht?

Antonia Paponja:

Genau, die Bodycams waren nicht eingeschaltet und es war auch Thema im Gerichtsverfahren.

Fragesteller*in 1:

Und gab es eine Begründung dafür? Warum nicht?

Antonia Paponja:

Weil man die nur einschaltet, wenn man davon ausgeht, dass für Polizeibeamte sich eine Gefahrensituation entwickeln könnte in diesem Einsatz.
Also es ist wohl nicht Pflicht, die Bodycam anzuschalten.

Carina Kebbel:

Aber dazu hätte ich jetzt mal die Frage.
Also an einer Stelle wurde doch dann damit argumentiert, dass Sie auch eine Gefahr für sich gesehen haben.
Warum haben Sie in dem Moment die Kameras nicht angemacht?

Fragesteller*in 1:

Also das ist wirklich sehr unheimlich, finde ich.

Dr. Sevda Can Arslan:

Ja, aber ich glaube, wir müssen uns von der Vorstellung lösen, dass Bodycams das Problem der Polizeigewalt lösen.
Weil das wird oft als Alternative oder als ...
Ich glaube, wir müssen uns von der Vorstellung lösen, dass Bodycams irgendwie das Problem der Polizeigewalt lösen.
Das wird ja öfter mal als Forderungen vorgebracht.
Tatsächlich bedeutet das nur, dass mehr Gelder in die Polizei fließen.
Und man am Ende vielleicht eine Aufnahme davon hat, was passiert ist, aber vielleicht auch nicht.
Aber es führt quasi nicht zu einer Prävention von Polizeigewalt.
Genau wie andere Möglichkeiten, die dann immer eingebracht werden, wie Taser oder so.
Deswegen ist das jetzt auch nicht irgendwas, auf das wir uns fokussiert haben als Initiative.

Fragesteller*in 1:

Ja, ich dachte, wo es würde halt transparenter machen, was da passiert ist.

Dr. Sevda Can Arslan:

Das ist, glaube ich, eine Illusion.
Also wir haben in Mannheim seit einigen Jahren ein Projekt.
Das heißt Mannheimer Weg 2.0.
Das bedeutet die Überwachung von zentralen Plätzen in Mannheim durch die Mannheimer Polizei.
Das ist quasi ein, die verkaufen das als ein Sicherheitsprojekt.
Das ist ein Überwachungsprojekt, in dem es darum geht, permanent bestimmte Plätze in Mannheim abzufilmen.
Und wir hatten Aufnahmen, die haben wir gesehen in dem Verfahren vom Marktplatz zum Beispiel.
Und es ist immer die Frage, wer hat eigentlich welchen Zugriff auf diese Aufnahmen, die letztendlich eben der Polizei gehören.
Und deswegen ist es immer so eine kritische Frage.
Und letztendlich die Videos, die wirklich interessant waren und die überhaupt dazu geführt haben,
nach Einschätzung der Initiative, dass es zu einem Verfahren gekommen ist,
das waren die privat gefilmten Videos von Augenzeug*innen, die in dem Moment schnell genug geschaltet haben
und gesagt haben, oh, da passiert was Unrechtes.
Ich nehme das jetzt auf und ich stelle es danach der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Also eigentlich hat uns das wieder gezeigt, das was schon Initiativen gegen Polizeigewalt seit zig Jahren sagen,
wir brauchen Möglichkeiten der Gegenüberwachung, um überhaupt das darzustellen oder dokumentieren zu können, was da passiert.
Aber ich würde mich nicht darauf verlassen, dass der Staat bestimmte Überwachungsmechanismen hat, die dann gegen ihn verwendet werden.

Welche Rolle spielte der Arzt von Ante P.?

Frage:

Dann noch eine Frage, es hat euch auch Carina angesprochen, wegen dem Arzt hat der irgendwie mal eine Stellungnahme abgegeben,
warum er so gehandelt hat, weil das macht ja auch keinen Sinn.

Angelina Weinbender:

Genau, das sehe ich auch zumindest so aus dem Seitenwinkel.
Eine Frage aus dem Online-Chat, was tatsächlich mit dem Arzt war, könnt ihr dazu noch was sagen?

Dr. Sevda Can Arslan:

Also es gab ein Verfahren gegen den Arzt, was eingestellt wurde, gegen eine Zahlung von 8000 Euro.
Das heißt, wahrscheinlich hat er einfach ein höheres Gehalt, deswegen war der Tagessatz anders als bei den Polizisten.
Aber genau, also so viel können wir sagen.
Also eine Argumentation von der Nebenklage war, dass die Polizisten die Anweisungen des Arztes nochmal selber hätten darüber nachdenken müssen,
dass sie nicht einfach machen, der Arzt sagt, hier die Person ist selbst gefährdet und dass sie dann einfach diese Anweisung folgen,
sondern dass sie selber nochmal überlegen, ob das jetzt stimmt oder nicht stimmt.
So habe ich es zumindest verstanden.
Genau, also da ist für mich ehrlich gesagt, sind da in der Zusammenarbeit zwischen Psychiatrie und Staatsgewalt,
ehrlich gesagt, auch noch ziemlich viele Fragen offen.
Wir wissen aus Interviews, die danach geführt wurden,
dass die Zusammenarbeit vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit und der Polizei Mannheim und vor allem dieser H4-Wache so aussieht,
dass sie mindestens ungefähr jeden dritten Tag einen Kontakt haben, also dass jemand aus der Psychiatrie sagt, holt bitte Person XY zurück in die Psychiatrie.
Also die haben ständig jeden dritten Tag eine Anweisung quasi aus dem ZI, der sie auch Folge leisten.
Und das ist natürlich umso unverständlicher dann, warum die Polizisten, die beide schon seit Jahren in dieser Wache arbeiten,
anscheinend gar keine Ahnung haben oder ein anderes Interesse haben, als man das eigentlich haben sollte im Umgang mit Menschen in psychischen Krisen.

Könnte die Polizei besser ausgebildet werden?

Angelina Weinbender:

Da vorne ist noch eine Meldung.

Redaktion:

An einigen Stellen sind leider unsere Mikros ausgefallen beziehungsweise es gab Übersteuerungen,
weswegen wir die Fragen, die da gestellt wurden, zusammenfassen oder wenn wir sie noch heraus hören konnten bei der Überarbeitung für diesen Mitschnitt,
versuchen wir sie noch mal zu zitieren.
Die erste Frage, die hier fehlt, konnten wir rekonstruieren, sie lautete,
wie müsste denn ihrer Meinung nach die Ausbildung der Polizei aussehen, einfach um sie mal in die Lage zu versetzen, genau so eine Situation einzuschätzen.
Und dann auch noch eine Frage, hätte das ZI dann überhaupt einen Spielraum gehabt, also wenn sie intern feststellen, es gibt eine Selbstgefährdung
und sie schätzen die Lage so ein, dass sie externe Hilfe brauchen, gibt es dann sozusagen ein Protokoll, was festlegt,
dass sie sich dann an die Polizei wenden müssen oder hätten sie dann quasi auch den Spielraum zu sagen,
nee, wir rufen jemand anderen an und wer wäre das?

Carina Kebbel:

Darf ich kurz zu dem Spielraum was sagen?
Also die Gefahr muss dann konkret, unmittelbar und nicht anders abwendbar sein.
Und ich weiß nicht, also

Antonia Paponja:

ich würde gerne auf die erste Frage antworten.
Also es gibt ja auch Klinikpersonal in Psychiatrien, da müssen auch Menschen zum Teil fixiert werden, dort werden keine Menschen getötet
und vielleicht kann man sich hier einmal die Ausbildungspläne kopieren.

Carina Kebbel:

Also ich denke ja jetzt schon...
Ich denke ja jetzt schon länger über dieses Thema nach und befasse mich damit und
wenn man sich zwei Sachen vergegenwärtigt, glaube ich, kommt mal zu dem Schluss oder komme ich inzwischen zu dem Schluss,
es ist nicht getan mit Schulungen für die Polizei.
Also das kann nicht der richtige Weg sein.
Polizisten sind das Gewaltmonopol.
Die sind drauf trainiert, Situationen schnell zu lösen mit Gewalt.
Das ist per se das völlig falsche Vorgehen für einen Menschen, der in einem psychischen Ausnahmezustand ist.
Und das ist nicht mit einer Schulung reparierbar.
Das ist so ein bisschen, ich weiß nicht, ob hier die Begrifflichkeit Emotional Assistance Dog.
Das sind so Hunde, die sind ähnlich wie Blindenhunde, ausgebildet für die Begleitung von Menschen mit psychischen Problemen.
Zum Beispiel für traumatisierte Menschen, dass denen niemand zu nahe kommt oder so was,
dass sie sich einfach dazwischenstellen.
Sie können aber nicht einen Wachhund, der irgendwie darauf trainiert ist, ein Gelände zu bewachen.
Einfach nehmen und sagen, es ist ein Hund, das ist jetzt ein Emotional Assistance Dog.
Die Polizei ist per se falsch ausgebildet für diese Situation, die es da zu handeln gilt.
Die Polizei ist kein sprechender Beruf, der sich da Zeit nimmt und in Ruhe guckt, was steht dahinter, was braucht dieser Mensch.
Die Polizei will schnell handeln.
Und das ist das per se falsche.
Das heißt Schulungen, ich habe am Anfang auch gedacht, es braucht nur Schulungen für die Polizisten.
Kombiniere ich das aber auch noch mit dem Wissen, dass die Polizisten, die auf der Straße unterwegs sind,
häufig irgendwie wechselnd sind, ja, häufig dann irgendwann in anderen Bereichen sind.
Der Mitarbeiter von dem Krisendienst in Berlin hat in dem Podcast gesagt, die Schulungen für die Polizisten auf der Straße,
die die dort anbieten, müssen sie jedes Jahr wiederholen, weil der Durchsatz so hoch ist.
Das sind immer wieder neue Polizisten.
Das heißt, das, was eigentlich nötig ist für jemand in der psychischen Krise, langjährige Erfahrungen
und darauf basierend diese Souveränität und auch dieses Aushalten können, dass ich keine schnelle Lösung finde, Geduld haben und so.
Das können die gar nicht. Also es ist per se nicht möglich.
Da muss man vielleicht auch sagen, ja, also der Grundgedanke stimmt nicht.
Kosmetische Reparaturen mit Schulungen, das ist dann wieder so Symbolpolitik, dann macht man was.
Aber es ist nicht geeignet, um das Problem zu lösen.

Revision und Gutachten

Frage:

Hallo, ich wollte fragen, wie kompliziert ist es, also wenn das Revisionsverfahren zugelassen wird,
ist die Frage, geht das mit eigenen Gutachten vielleicht weiter und wie kompliziert ist es eben.
Also wir haben darüber schon gesprochen, es steht im Raum, wenn man Revisionsverfahren macht,
dann müssen wir dann privat Gutachten in Auftrag geben, die ungefähr genauso viel kosten wie die Revisionsverfahren,
also ungefähr 10.000 Euro.
Was verspricht du dir von dem Gutachten oder wie kompliziert ist es auch?
Also wo gibt man das in Auftrag, ist das in Deutschland, ist das im Ausland?
Genau, das wäre an Antonia die Frage.
Und an Carina war noch die Frage, ob es so auch Telefonnummern gibt, wo man anrufen kann,
statt die quasi 110 zu wählen, ob es da auch eine Alternative gibt.

Antonia Paponja:

Genau, also für mich ist es so, wie Carina schon sagte, das Schlimmste,
dass die Polizisten in den Polizeidienst zurückkehren durften.
Das ist für mich gefährlich und stellt eine falsche Signalwirkung dar und daher auch die Revision.
Ich habe mit Juristen gesprochen, unter anderem mit Dr. Feltes,
der wissenschaftliche Studien erstellt hat, zur Lage bedingten Erstickungstod
und er sagt, dass man einen Menschen maximal 10 bis 20 Minuten in Bauchlage fixieren darf, also,
Entschuldigung, 10 bis 20 Sekunden, so fixieren darf, wie man meinen Bruder fixiert hat
und meinen Bruder hat man 6 Minuten lang, fast 6 Minuten lang fixiert.
Genau, es gibt da schon Möglichkeiten, auch noch weitere Privatgutachten zu erstellen
oder erstellen zu lassen, die natürlich sehr kostspielig sind.
Genau, und sollte die Revision quasi durchgehen, würde es zu einer neuen Verhandlung kommen
in Mannheim vor einer anderen Kammer dann quasi, wobei das noch geprüft wird aktuell.

Telefonnummern in der Krise

Angelina Weinbender:

Dann war da noch die Frage an dich, ob es eben eine andere Notfallkrisennummer gibt, an die man sich wenden kann?

Carina Kebbel:

Leider aktuell nicht, ich meine, das ist ja dieses Thema mit der Etablierung von Krisendiensten,
wie es die z.B. in Berlin gibt, das wäre dann eine Option, aber derzeit haben wir nichts anderes.

Redaktion:

Auch hier fehlt nochmal eine Frage, die im Publikum auftauchte, beziehungsweise ein Einspruch.
Eine Person sagte, Einspruch, es gibt seit Neuestem unter der 116117 die Möglichkeit psychiatrische Betreuung zu kriegen.

Carina Kebbel:

Ja, ich würde empfehlen, einfach mal anzurufen, uns auszuprobieren.
Ich bin diesem Konzept gegenüber nicht so ganz hoffnungsvoll eingestellt, aber vielleicht bin ich dazu pessimistisch,
weil es geht ja nicht darum, dass jemand ans Telefon geht, sondern ich brauche jemand, der die entsprechende Kompetenz hat,
der die Situation einschätzen kann, der empathisch auf die Menschen eingehen kann.
Ich bin mir nicht sicher, ob das am anderen Ende der Leitung dem entspricht, was ich mir vorstellen würde.

Redaktion:

Und auch hier hat das Mikro nicht gut mitgeschnitten.
Die Person, die den Einspruch formuliert hatte, erzählte, dass sie einen Rückruf bekommen hatte von dieser Nummer.

Carina Kebbel:

Ja, aber wie gesagt, es braucht ein bestimmtes Vorgehen, wenn jemand in einer Krise ist.
Es braucht bestimmtes Wissen, ich muss ausloten, was für eine Art von Krise habe ich.
Ich muss dann sozusagen entsprechende Erfahrungen, Vernetzungswissen und alles möglich haben.
Ich muss wissen, wenn der Mensch ein handfestes Problem hat, wo kann ich ihn hinverweisen.
Die 116117 ist eine überregionale Nummer.
Lokale Strukturen sind total unterschiedlich.
Ich musste selber schon sehr heftig erfahren, dass mein Wissen an der Stadtgrenze von Karlsruhe endet
und dahinter ganz andere Strukturen herrschen.
Ich bin nicht überzeugt, dass das Modell funktionieren wird.
Aber vielleicht werde ich eines besseren belehrt.

Angelina Weinbender:

Ich merke mir die Meldung.
Oder ist es jetzt direkt zu dem Thema?
Ansonsten würde ich vielleicht zwei, drei Fragen aus dem Chat.
Okay, sorry, ich habe es nicht gesehen.
Dann noch eine letzte Frage aus dem Publikum.
Dann gehen wir zum Chat über.
Da noch Fragen sind gerne.
Wieder die Runde hier öffnen.

Rettungsdienst zu spät gerufen

Redaktion:

Und auch hier fehlt nochmal eine Frage aus dem Publikum.
Eine Person sagte, ich wundere mich die ganze Zeit schon,
wann eigentlich der Rettungsdienst gerufen wurde,
weil eine Psychose als medizinischer Notfall gilt
und auch der Patiententransport eigentlich zu den Aufgaben des Rettungsdienstes gehört
und die Polizei das zwar begleiten kann,
aber rundständig sei eben der Rettungsdienst zuständig.
Deswegen wundert er sich eben, wann und wie der eigentlich hinzugezogen wurde.

Dr. Sevda Can Arslan:

Also jetzt konkret war es so, dass die Polizei einen Rettungswagen,
wenn ich mich richtig erinnere, angefordert hat,
um Ante zurückzubringen in die Psychiatrie.
Und die kamen erst, ich weiß es gar nicht, wann die kamen,
das habe ich jetzt gar nicht mehr im Kopf, zu spät,
weil irgendwie, ich glaube, da gab es auch noch irgendein Problem,
dass man zuerst nicht wusste, ob in die Psychiatrie oder woanders hin,
ich habe es gar nicht mehr, da kann vielleicht jemand anders noch ergänzen.
Aber das hat jetzt in diesem konkreten Fall keine Rolle gespielt.

Antonia Paponja:

Ich erinnere mich jetzt nicht mehr, leider.
Ich weiß nur, relativ spät wurde der benachrichtigt, genau.

Wie oft wir nichts über Polizeigewalt wissen

Angelina Weinbender:

Die Fragen im Chat, ich kann das aus der Perspektive ganz schwer lesen.
Ich wäre dankbar, wenn jemand direkt davor...

Technik:

Genau, es gab eine Frage um 18.29 Uhr von Felix,
die von Janis gewünscht wurde zu wiederholen, ich lese die mal vor.
Felix hat gefragt, ich wünsche mir,
dass der Fall an der Universität, wo ein Mann mit einer Machete
Menschen bedroht, nochmal eingeordnet.
Wird am Anfang dieser gemeinsam mit dem Fall von Ante aufgezählt.

Dr. Sevda. Can Arslan:

Nee, tatsächlich, ich habe mir den nicht mit aufgezählt.

Angelina Weinbender:

Also ich hatte genau, also ich gehe davon aus,
ich habe auch entsprechende Zeitungsartikel diesbezüglich mitbekommen,
dass auch da einfach eine psychische Krisensituation
vorlag. Tatsächlich wissen wir aber ja zu diesem Fall so gut wie gar nichts.
Also wir haben die Berichterstattung der Polizei.
Ich weiß nicht, wie weit da noch Chat- und Zeugenaussagen von
Studierenden aufgezeigt wurden, aber da ist einfach sehr,
sehr wenig bekannt, genauso wie beispielsweise zu dem Fall,
der dann kurz nach Ante Tod passiert ist,
wo ein Mensch dann in der Wohnung durch die Polizei,
also erschossen wurde, weiß man dann auch nicht,
hier hieß es irgendwie, dass schon vorher ein Messereinstich war
oder irgendwie andere Dinge, aber das Entscheidende ist,
wir hören diese Fälle und wenn dann keine Betroffenen dahinter,
keine Hinterbliebenen sich zu Wort melden, keine Initiativen,
ist die Geschichte, die uns vorliegt, oftmals die eben der Polizei.
Und gerade wenn man sich dann, sei es jetzt beispielsweise auch im Fall von Ante,
ich glaube du hattest mal erwähnt in deinen Untersuchungen,
dass man halt mal morgens, man hat Ante erst nach 6 Monaten
irgendwie namentlich erwähnt. Nach über einem Jahr hat man also irgendwie
in der Presse ein Namen für das Opfer gehabt.
Ein Ziel der Initiative war es ja auch gerade,
ein Bild von Ante zu zeichnen, wer war Ante eigentlich,
also dass man nicht irgendwie nur diese Schizophrenieerkrankung darstellt,
die bei uns Narrative hervorbedient,
sondern einfach den Menschen dahinter sieht.
Und deswegen habe ich auch diesen Fall an der Universität erwähnt,
weil wir auch da einfach wenig Informationen haben.
Das Gleiche gilt auch für Mouhamed Dramé.
Wenn man die Familie, die Geschwister sprechen hört
oder die Initiative, zeichnet sich einem ein völlig anderes Bild
von diesen Menschen, der dahinter steht und von dieser Situation
als eben die Bilder, die wir allein durch die Polizeiberichterstattung
und die Presse haben. Aber ich weiß nicht inwieweit,
du hast ja auch tatsächlich auch nochmal eine Analyse,
des Mannheimer Morgens vorgenommen,
vielleicht kannst du das auch nochmal einordnen.

Dr. Sevda Can Arslan:

Ja, also ich bin gerade noch dabei,
das dauert leider immer länger, als man sich das wünscht.
Genau, ich wollte aber kurz noch was sagen zu den anderen Fällen.
Also deswegen ja auch die Argumentation von der Initiative,
auch aus der Erfahrung von der Arbeit von den letzten Jahrzehnten
von anderen Initiativen, die Tatsache, dass wir Videos haben,
war entscheidend dafür, dass überhaupt was passiert ist jetzt bei Ante P.
Das ist zu diesem Prozess überhaupt gekommen ist.
Also der Mann im Waldhof wurde bei sich zu Hause
bei seiner Mutter zu Hause erschossen.
Wir wissen nichts darüber, wir konnten keinen Kontakt herstellen.
Das war wenige Tage später, also ich glaube acht Tage später.
Dann von Ertekin Özkan, da gab es Videos.
Nun wurde das Verfahren, es wurde zumindest kurz angestrengt,
dann wurde das jetzt eingestellt. Über das an der Universität Mannheim.
Wissen wir im Prinzip gar nichts, was auch noch passiert ist
innerhalb von zwei Jahren nach Ante Ps. gewaltvollen Tod
ist, das noch ein Mann bei einem Polizeieinsatz gestorben ist.
Das habt ihr vielleicht jetzt auch mitbekommen,
wurde glaube ich vor zwei Wochen das Verfahren eingestellt.
Er ist von einem Polizeigerüst, von einem Baugerüst runtergefallen oder runtergesprungen.
Das ist mir jetzt nicht ganz klar geworden,
aus der Berichterstattung, die man eben halt auch immer kritisch sehen muss.
Es war so, dass das ein Polizeieinsatz war
und es war mitten der Nacht.
Die Person wollte angeblich irgendwo einbrechen
und letztendlich ist sie von dem Baugerüst gestorben,
gestolpert oder gefallen, gesprungen und ist dann verstorben.
Das heißt, das sind einfach fünf nicht-polizeiliche Tote
bei Polizeieinsätzen in Mannheim
und sicher unterscheiden sich alle diese Fälle,
sicher haben sie auch einiges gemeinsam,
aber fünf sind einfach fünf zu viel.

Wie verhalten sich ZI und Arzt und im Nachhinein? Aufarbeitung?

Angelina Weinbender:

Gibt es noch weitere Fragen aus dem Chat?

Technik:

Ja, es gibt noch zwei Fragen, die sich um den Arzt,
also Peter Schwarz hat gefragt, schon seltsam,
dass der Arzt hinterherlief.
Entschuldigung, Peter Schwarz hat gefragt, ich seltsam,
schon seltsam, dass der Arzt hinterherlief
und daraufhin anscheinend später gefragt,
mich würde auch noch mal interessieren, ob denn die Fragen,
woher überhaupt die Idee der Eigengefährdung kam
und warum der Arzt hinterherlief immer noch komplett offen sind
oder ob es da jemals ein Statement zugab von irgendeiner Seite.
Ebenso hat La Misa gefragt, gibt es seitens des ZI ein Statement
oder Kommentar, was da einem ihrer Patienten widerfahren ist
oder Kontakt zur Behandler*innen, die auf die Polizei zugegangen ist.

Angelina Weinbender:

Die zweite Frage, kannst du die nochmal wiederholen, bitte?

Technik:

Ja, die zweite war, gibt es seitens des ZI ein Statement
oder Kommentar, was da einem ihrer Patienten widerfahren ist
oder Kontakt zu Behandler*innen, die auf die Polizei zugegangen sind?
Von Pflegern, denke ich mal, oder Leuten, die Sie behandelt haben.

Antonia Paponja:

Genau, mein Bruder war im ZI therapeutisch quasi angebunden
und hatte großes Vertrauen zu seinem behandelnden Arzt
und vor dem 2. Mai hat sich sein Zustand verschlechtert.
Es hat sich so geäußert, dass er die Wohnung nicht mehr verlassen hat
und massive Ängste hatte und sich einfach zurückgezogen.
Also mein Bruder war nie fremdaggressiv in seiner Krankheitsgeschichte.
Wenn es ihm schlecht ging, hat er sich immer zurückgezogen
und war sehr, sehr ängstlich gewesen.
Warum der Arzt jetzt konkret die Eigengefährdung gesehen hat,
das weiß ich nicht.
Also der 2. Mai war das erste Mal, dass meine Mutter und ich
meinen Bruder nicht ins ZI gefahren haben zur Aufnahme.
Er hatte ein paar stationäre Aufenthalte dort.
Genau, es war das erste Mal, dass er mit einer Mitarbeiterin hingefahren ist.
Wir hatten danach Gespräche mit dem Arzt und mit Mitarbeitern des ZI.
Ich weiß nicht, ob die Frage jetzt beantwortet ist.
Vielleicht eine kurze Rückmeldung aus dem Chat,
ob die Frage jetzt soweit beantwortet ist.

Dr. Sevda Can Arslan:

Also ich fand es total interessant.
Vor Gericht haben ja einige Personen auch ausgesagt,
aus dem ZI unter anderem der Arzt, aber auch eine Pflegerin,
und zwar die, die Ante mit ins ZI gebracht hat.
Und was sie beschrieben hat, also wie sie Ante beschrieben hat
und auch sein Verhalten, war einfach das komplette Gegenteil
von dem, was von Polizei-Seite, die ganze Zeit,
oder von der Seite der Verteidigung, die ganze Zeit erklärt wurde.
Also sie hat beschrieben, wie er alle Menschen dort persönlich
gegrüßt hat, mit Namen begrüßt hat und dann auch,
wie sie mit ihm einfach ganz normal gesprochen hat.
Und ehrlich gesagt, war es für mich ein Hinweis
auf ein strukturelles Problem war, war, als sie gesagt hat.
Und dann musste ich zum nächsten Klienten.
Und da habe ich mich gefragt, wir sind dem als Initiative
jetzt nicht nachgegangen, aber da habe ich mich gefragt,
was eigentlich passieren würde, wenn man mehr Zeit hätte
und sie einfach hätte da bleiben können,
oder wenn einfach mehr Personal da gewesen wäre.
Aber das sind alles so Fragen.
Also ich glaube, so ein bisschen wie Carina,
das ja am Anfang geschildert hat, also die ganze,
wenn man sich alles anschaut, also die ganzen Situationen,
die dazu geführt haben, wozu sie geführt haben,
da gab es eigentlich, da gibt es total viele systematische
oder strukturelle Probleme, die dann eben am Ende
zu dieser Situation geführt haben,
und die auch einfach ganz anders hätten sein können.

Publikumsfrage:

Ich würde gerne an Antonia fragen,
weil aus der im Chat steht die Frage,
warum der Arzt nicht eingegriffen hat.
Und dann wollte ich noch die Frage stellen,
das Ante hat ja gearbeitet bei den arbeitstherapeutischen Werkstätten
und ob es da Gespräche gab mit den,
also ob da die Polizei oder andere Gespräche gesucht haben.

Antonia Paponja:

Genau, der Arzt ist ja dann,
meinem Bruder auch hinterhergelaufen bis zum Marktplatz
und war dann abseits, weil er mit dem ZI telefoniert hat
und Bescheid gegeben hat,
dass dort ein Bett frei gemacht werden soll für meinen Bruder.
Und in der Zeit hat sich halt diese Menschenmenge
dadurch das Zuckerfest war, wie gesagt, es waren ja 70 Zeug*innen
und Zeugen, es hat sich so eine Menschenmenge gebildet
um die Situation herum, dass der Arzt es gar nicht mitbekommen hat.
Also er hat die Schläge, die ihm quasi verpasst wurden,
nicht mitbekommen und kam dann erst viel später zu dem Geschehen hinzu.
Ob es Gespräche gab mit der ATW, es gab wohl Gespräche,
aber ich weiß es nicht, ich habe keine Infos,
ob es da jetzt mit Polizei und der ATW Gespräche gab.

Anmerkungs aus dem Publikum:

Zu dem, mit dem Arzt ist vielleicht auch noch spannend,
so war ich mich da richtig erinnert aus dem Prozess,
dass der sich extra zurückgezogen hat von der ganzen Sache
um quasi von Ante nicht mit dem Zugriff und Rückbringung
von der Polizei in Verbindung gebracht zu werden.
Das hat er dann tituliert, in dem während seiner Aussage
als quasi das Vertrauensverhältnis nicht beschädigen
und war deswegen soweit hinten
und hat dann quasi seine gezielte Abwesenheit angeblich genutzt,
um nochmal zu klären, dass ein Bett für ihn frei gehalten wird
und um zu telefonieren und hat deswegen auch zusätzlich
nicht mitbekommen können, dass das gerade heftig zur Sache geht.

Dr. Sevda Can Arslan:

Ich glaube, ich muss dazu noch erklären,
dass die Strategie der Verteidigung war,
auf den Arzt, die ganze Verantwortung auf den Arzt zu übertragen,
den als diejenige verantwortliche Person für diesen kompletten Einsatz zu sehen.
Ich glaube, es ist wichtig, wenn wir jetzt so sprechen
und unsere Einordnungen, also die Strategie der Polizei war der Arzt.
Wenn hier irgendjemand an irgendwas schuld ist, dann der Arzt.
Und wir als Initiative haben uns auf die Polizeigewalt fokussiert,
bis jetzt mit den Angehörigen.
Persönlich würde ich natürlich auch sagen, es gibt auf der Seite
aller Institutionen, die drum herum sind,
also sowohl der Psychiatrie als auch der arbeitstherapeutischen Werkstätte,
also alle staatlichen Einrichtungen oder staatlich finanzierten Einrichtungen,
die irgendwie in dem ganzen Umfeld sind.
Da gab es auf jeden Fall zumindest öffentlich viel zu wenig Aufarbeitung.

Wer ist wem ausgeliefert?

Dr. Sevda Can Arslan:

Also ich finde, es spricht für sich, dass du Carina sagst,
oh shit, ich fahre jetzt in eine Stadt, oh, das Shit hab ich jetzt gesagt,
dass du sagst,ich fahre jetzt in eine Stadt, in der die Polizei so umgegangen ist
mit einer Person, mit einer psychischen Krankheit.
Es kann sein, wenn jemand in einer Krise ist, dass er oder sie in Mannheim stirbt.
Das zeugt für mich davon, dass hier auf jeden Fall zu wenig
öffentliche Aufarbeitung stattgefunden hat, weil das haben uns viele gesagt.
Das haben uns viele Personen gesagt mit psychischen Diagnosen.
Da haben ja auch Leute bei uns in der Initiative dabei,
die gesagt haben, ich fühle mich in dieser Stadt nicht mehr sicher.
Und das finde ich ist ein relevanter Punkt.
Wenn wir über Sicherheit in Mannheim reden, brauchen wir nicht über
Messerverbotszone und so weiter und sofort sprechen über Waffenverbotszone,
sondern darüber, wie können sich alle Menschen in dieser Stadt sicher fühlen.
Auch Menschen mit psychischen Diagnosen.
Alle wollen hier sicher leben können.
Und momentan leben sie hier nicht sicher.
Und momentan sind sie hier immer gefährdet,
einer gewaltvollen Polizei ausgesetzt zu sein.

Angelina Weinbender:

Ich würde gern darauf aufbauen und auch noch eine Frage stellen.
Vielleicht auch an dich Carina.
Wir haben ja umgekehrt auf die Situation.
Das hat mir eine Mutter berichtet.
Ihr Sohn, ein Jugendlicher of Color,
wird am Bahnhof regelmäßig kontrolliert von der Polizei.
Der kann einfach nur auf die Straßenbahnen warten
und hat deswegen auch immer seinen Perso dabei.
Und sie hat besondere Angst,
weil er aufgrund seiner psychischen Diagnose,
gerade in solchen Situationen,
eben schnell in eine schwierige Lage kommen kann.
Und dass das dann bei der Polizei
im Umkehrschluss eben zu gewaltvollen Eingriffen führt.
Also dann, tatsächlich, wenn wir es so rumhaben,
dass beispielsweise durch Racial Profiling
überhaupt erst eine Krisensituation ausgelöst wird.
Hast du da Erfahrungen oder Dinge,
wie die Dinge in deinen Recherchen zu finden können?

Carina Kebbel:

Also ich habe ja vorhin schon gesagt,
Job der Polizei ist das Gewaltmonopol vom Staat zu sein.
Das heißt, die Polizei ist der Gewaltausübende Arm des Staates.
Und es ist außerdem Job, der Polizei zu gucken,
wer hält sich hier rechtmäßig auf.
Das heißt, das hat dieser Prof. Schiffer-Nasseri so schön
in seinem Text und auch in dem Podcast erwähnt,
das ist Aufgabe der Polizei, Menschen zu selektieren.
Und dann kommt noch hinzu,
sie scheinen offensichtlich nicht gut vorbereitet zu sein
auf den Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmezuständen.
Alles in allem ist natürlich für diese konkrete Situation
eine ganz ungünstige Kombination.
Ich kann die Sorgen der Mutter verstehen
und ich hätte die Sorgen wahrscheinlich auch,
wenn es mein Kind wäre.
Die Frage ist nur, was kann man machen,
dass man diese Sorgen nicht haben muss.
Und das ist natürlich so ein bisschen das Problem.
Die Reaktionen der Polizei lösen vielleicht noch mehr Ängste aus
bei den Menschen.
Viele Menschen fühlen sich ja im Rahmen von zum Beispiel
psychotischem Erleben verfolgt oder so.
Wenn dann wirklich Bewaffnete hinter ihnen herkommen,
das triggert ja wirklich dieses Bild auch noch an.
Es ist ja eigentlich, also es gibt auch Empfehlungen,
nicht uniformierte Polizisten zu schicken,
um irgendwas mal positiv ein bisschen zu beeinflussen.
Meiner Meinung nach viel zu wenig,
aber man schafft ja genau das Bild,
was sozusagen die Krise noch verstärken kann,
wenn es so was ist,
was in so eine psychotische Richtung geht.
Also es heißt eigentlich nur,
das sollte möglichst vermieden werden
und es müssten andere Wege der Krisenintervention gefunden werden.
Und bei den Erzählungen jetzt ans ZI schon angebunden
und auch in einer arbeitstherapeutischen Werkstatt,
dann denke ich mir, es greift auch zu kurz,
wenn man sozusagen diese Krisen nimmt
und dann sagt, das war jetzt nicht mehr anders machbar.
Diese Krisen entstehen ja in den meisten Fällen nicht so mit dem Fingerschnips,
sondern die bahnen sich an.
Und eigentlich bräuchte es da präventiv vorher
eine Unterstützung für die Menschen,
dass es sich gar nicht so eskaliert,
dass man in so eine Situation kommen muss.

Strategien gegen Polizeigewalt

Angelina Weinbender:

Haben wir noch weitere Fragen aus dem Chat oder aus dem Publikum?
Wir haben jetzt hier nochmal, hier und dann nochmal nach.

Publikumsfrage:

Also ich weiß nicht, ob das jetzt gerade eine Frage ist,
die Sie beantworten können.
Also Sie haben ja quasi schon auch davon gesprochen,
dass die Polizei ein ganz starkes Machtmonopol hat
und das aufseiten von Polizei
und auch Psychiatrie so viel falsch gelaufen ist
und ich habe mich eben gefragt,
ob es für uns oder auch für Betroffene
irgendwie Möglichkeiten gibt,
dass wir eine Art von Druck ausüben können,
dass halt eben Veränderungen herbeigeführt werden
oder ob sie da quasi die Perspektive haben,
dass das dadurch, dass das Machtmonopol eben so groß ist,
dass es da kaum eine Chance gibt.

Angelina Weinbender:

Ich würde gerne diese Frage vor allem an die Initiative
auch weitergeben.

Dr. Sevda Can Arslan:

Ich glaube, das ist...

Dr. Sevda Can Arslan:

Also die Frage war,

Angelina Weinbender:

wie wir dem Machtmonopol begegnen oder können.

Dr. Sevda Can Arslan:

Ja, also, Chanah möchte darauf antworten.

Dr. Sevda Can Arslan:

Oh, und Lucky.

Angelina Weinbender:

Lucky hat auch eine...
Ist ein anderer Hund gekommen?

Chana:

Wir hatten vor Kurzem,
hatte Antonia eine Veranstaltung
mit der Oury-Yalloh-Initiative,
die ja sehr, sehr langjährige Erfahrung hat
und die haben sehr klar gesagt,
es bringt überhaupt nichts Forderungen zu stellen
an Leute, die die Forderungen auch nicht hören möchten
und auch nicht umsetzen möchten.
Wir können quasi wiederholen und wiederholen
oder hinstellen, was wir alles Schönes wollen,
aber es wird nicht passieren,
solange die Gegenseite ja überhaupt nicht so...
sozusagen von sich aus mal auf die Idee kommt,
das Offensichtliche zu verändern.
Sie sagen, was Sie jetzt strategisch machen,
ist keine Forderungen stellen
und nur noch Gegennarrative erzeugen.
Das heißt sozusagen das Polizeigewalt,
muss in der Gesellschaft einfach ein Thema werden,
und zwar ein ganzes Thema,
jeder, was zu sagen hat und jeder was weiß.
Und dass dadurch sozusagen Druck erzeugt wird,
dass die Beamten oder auch im Gerichtssaal
das so nicht umgangen werden kann.
Beispielsweise, also die Oury-Yalloh-Initiative
geht noch einen Schritt weiter.
Sie haben einen Recherchezentrum gegründet
und alle Zivilisten sozusagen werden jetzt geschult darin,
wie kann ich selber, in meine Fälle,
die mir passieren, jetzt recherchieren,
wie kann ich rausgehen auch aus dieser Falle,
dass man dann irgendwie passiv nur noch da ist
und wie kann man quasi aktiv sagen,
okay, das und das und das muss jetzt passieren.
Wie hier zum Beispiel, wenn man ein Gerichtsmedizingutachten bekommt,
wie lang muss das eigentlich sein, was fehlt,
was wird verschleiert, kriege ich Akteneinsicht,
oder ist mein Anwalt so, dass er sagt,
nein, ich mache das alles für dich.
Also es geht sehr, sehr stark darum,
dass diejenigen einfach bevollmächtigt,
also die nicht bevollmächtigt sondern,
dass sie selber aktiv werden und ihre Fälle recherchieren
und dieses Recherchezentrum gibt es schon
und das nimmt jetzt quasi langsam den Weg
und die Idee ist einfach, wenn so etwas passiert,
werden alle fähig sein und alle wissen, was zu tun.
Beispielsweise hätten wir von Anfang an
einen Zweitgutachten reingemusst oder nicht.
Das sind Fragen, man weiß nie, wie das endet.
Wir hatten jetzt im Fall ein Gerichtsmedizinerin,
die gesagt hat, ja, die Polizei war,
also ist kausal für den Tod von Ante.
Bei Oury Yalloh gibt es das nicht,
aber in sozusagen in beiden Fällen hat es nichts gebracht.
Und deswegen ist jetzt auf jeden Fall,
also die Idee ist sehr stark,
auf dieses Gegennarrativ zu setzen und das bekannt zu machen.

Angelina Weinbender:

Ich würde vielleicht auch gerade noch im Kontext
auch auf das, was du gesagt hast,
mit dich fühle mich unsicher.
Wie gehe ich damit um?
Also ich weiß, dass wir zumindest vom Antidiskriminierungsbüro
hier in Mannheim auch bemüht sind,
tatsächlich auch aktiv in geschützten Räumen mit Themen wie
Racial Profiling, Polizeikontrollen auseinanderzusetzen.
Wir bemühen uns auch aktuell darum,
tatsächlich zu gucken,
wie können wir auch Informationsmaterialien zusammenstellen,
wie kann ich mich vielleicht vorbereiten,
wie kann ich dafür Sorge tragen,
dass wenn ich in eine psychische Krisensituation komme,
auf keinen Fall die Polizei dazu geholt wird.
Was muss ich dafür tun?
Also auch Räume zu schaffen,
in denen man sich gegenseitig stärken kann
um sich mit diesen Ängsten auch aktiv auseinanderzusetzen.
Sie sind berechtigt und sich einfach auch gemeinsam zu überlegen,
welche Strategien können und müssen wir entwickeln,
um eben diesen Einsatz der Polizei zu vermeiden.
Und gleichzeitig aber auch,
wenn ich dann in der Situation damit konfrontiert bin,
wie verhalte ich mich dann?
Also was sind meine Rechte?
Wie gehe ich damit um?
Was darf die Polizei? Was darf sie nicht?
Und im Zweifelsfall dann sollte es tatsächlich
dann eben zu einer gewaltvollen Handlung gekommen sein,
eben auch Strukturen zu haben,
an die man sich wenden kann,
die einen dabei unterstützen,
mit dieser traumatischen Erfahrung auch umgehen zu können.
Das sind jetzt zumindest Bemühungen,
die wir versuchen, auf den Weg zu bringen,
die aber, ich glaube auch,
als Selbstorganisation einfach ganz, ganz wichtig sind.

Internationale Konzepte

Frage:

Die Frage würde es da noch dazu passen.
Sie hatten jetzt Fokus auf Mannheim und Berlin und so weiter.
Wenn es dann in Deutschland keine Konzepte gibt,
gibt es dann die irgendwo im Ausland, in anderen Ländern,
wird da anders umgegangen mit Krisen von psychischen Menschen,
mit psychischen Krisensituationen.
Entschuldigung, also gibt es da Konzepte,
die man eigentlich nur anwenden müsste.

Angelina Weinbender:

Möchtest du darauf direkt antworten, Carina?

Carina Kebbel:

Hab hier was aus dem Grundrechte-Report 2023,
was ich dazu vorlesen kann, was vielleicht da eine Antwort drauf ist.
In den USA wurden insbesondere seit dem Mord an George Floyd
im Jahr 2020 viele Programme aufgelegt,
die auf Kriseninterventionen unabhängig von der Polizei bauen.
Viele orientieren sich an dem seit 1989 erfolgreich
in Eugene Oregon betriebenen CAHOOTS program.
Dieses entsendet bei Notrufen ein Team aus Sanitäter*innen
und Krisenhelfer*innen, die in Zusammenhang mit psychischer Gesundheit,
Obdachlosigkeit und Drogenkonsum stehen.
Bei rund 17.700 Anrufen im Jahr 2019
forderten die Teams nur 311-mal zusätzliche polizeiliche Unterstützung an.
In San Francisco werden seit 2020 bei Notrufen,
die im Zusammenhang mit psychischen oder drogenbezogenen Krisen stehen,
unbewaffnete, mobile Teams aus Sanitäter*innen,
psychiatrischen Fachkräften und zivilen Berater*nnen eingesetzt.
Die zivilen Berater*innen, Peersupport,
sind Menschen, die über eigene Erfahrungen mit Alkohol
oder Drogenmissbrauch, Obdachlosigkeit oder psychischen Krisen
beziehungsweise Krankheiten verfügen.
Das ist ein Beispiel aus den USA.
Es gibt aber auch in den Niederlanden,
die sogenannten FACT-Teams, flexibel aufsuchende Teams.
Mein Englisch ist nicht so super.
Aber in anderen Ländern gibt es Konzepte und Modelle.
Wie gesagt, es gibt auch bei uns in Berlin
schon Krisendienste, die tätig sind.
Man muss halt die Konzepte dann auch umsetzen
und auch was verändern.

Norbert

Ich bin der Norbert, ich bin 72 und Mannheimer.
Ich höre schon seit vielen Jahren Geschichten über das ZI.
Auch Menschen, die im ZI waren
und dann doch Selbstmord begehen konnten.
Es ist eben schwierig.
Ich anerkenne, dass es für viele Menschen
sehr schwierig ist, diese Situation.
Mich stimmt es vor allen Dingen traurig,
als Mannheimer das mitzuerleben
und ich möchte den Menschen,
die diese Veranstaltung heute organisiert haben
und diese Initiative machen,
herzlich danken dafür, was ihr macht.
Ich möchte euch Mut zu sprechen und Kraft,
weil es ist ein langer Weg.
Es ist mehr Ähnlichkeit
mit dem Ende der Sklaverei
und dem Wahlrecht für Schwarze in Amerika.
Heute passieren immer noch solche Dinge wie mit Herrn Floyd.
Es ist ein langer Weg,
aber es muss mal jemand anfangen damit.
Und er fängt an und dafür danke ich euch.
Ich möchte noch eine Sache sagen,
die vielleicht missverständlich war.
Es kam mehrfach der Name ATW.
Ich kenne Menschen in der Arbeitstherapeutischen Werkstatte Mannheim
Der Ante war zu der Zeit, als er getötet wurde,
nicht bei der ATW.
Er war schon mehrere Jahre vorher dort ausgeschieden.
Es gab keinen direkten Zusammenhang
zu dem Zeitpunkt.
Aber es gibt in der ATW heute
einen Gedenkbaum für Ante,
wo Menschen, die seiner Gedenken wollen,
sich an ihn erinnern, hingehen können.
Dort gibt es auch eine Plakette, die auf ihn verweist.
Das hat mich sehr gefreut, dass das möglich war.
Auch wenn es eine kleine Geste scheint,
aber viele kleine Gesten können trotzdem große Wirkung haben.
Dankeschön für die Veranstaltung euch.

Ideal der Polizei

Frage:

Für mich hat sich jetzt tatsächlich die Frage gestellt.
Als Betroffene gibt es den von Seiten der Polizei,
irgendwie sie sich vorstellen,
wie das idealerweise ablaufen sollte.
Dass die da eben nicht so agieren,
wie sie da in der Situation und in mehreren anderen Situationen agiert haben.
Das wäre ja auch mal interessant,
das so zu sehen was so das Ideal, sag ich mal, wäre
das quasi zu erfüllen ist.
Es gibt offensichtlich Personen,
die in psychischen Krisensituationen beispielsweise nonverbal werden.
Die können sich gar nicht verteidigen, wie auch.

Angelina Weinbender:

Die Frage ist natürlich sehr schwer,
weil ich habe persönlich mit der Polizei diesbezüglich nicht gesprochen.
Ich kriege die Statements der Polizeigewerkschaft mit.
Ich habe auch das Urteil,
jetzt beispielsweise der Staatsanwaltschaft,
im Fall von Ertekin gelesen.
Darin heißt es,
dass ein legitimer Einsatz war,
also ein legitimer Schusswaffengebrauch,
der angemessen war in dieser Situation,
als Reaktion.
Von daher glaube ich,
hier sind diese Auseinandersetzungen,
wie die Polizei sich idealerweise so ein Einsatz vorstellt,
ist wahrscheinlich,
der andere kommt einfach mit und macht keine Probleme.
Das ist zumindest in meiner Vorstellung so.
Ich glaube, das ist schwierig,
zu beantworten.

Carina Kebbel:

Eigentlich auch die falsche Frage,
weil wenn wir Menschen haben in psychischen Ausnahmezuständen,
selbst wenn die theoretisch irgendwie wüssten,
was das optimale Verhalten wäre,
zum einen, könnten sie es nicht mehr umsetzen,
weil sie sind ja in einem Ausnahmezustand,
zum anderen geht es ja aber auch darum,
dass die Fachkräfte sozusagen die Situation handhaben
und man das nicht der Person in dem Ausnahmezustand aufdrücken kann,
diese Person verhält sich so gut,
wie sie es in diesem Moment kann,
im krisenhaften Zustand.
Und das Umfeld muss entsprechend so reagieren,
dass die Situation gut aufgefangen wird und nicht eskaliert.
Also, es ist gar nicht die Frage, wie wünscht sich die Polizei das,
sondern wie müssen die Krisenhelfer,
ich formuliere jetzt mal absichtlich nicht Polizei,
wie müssen sich die Krisenhelfer so verhalten,
dass die Situation besser ausgeht und deeskaliert werden kann
dass die Person irgendwie rausfinden kann und darin begleitet wird.
Das ist doch die Frage.

Fortbildungen zum Umgang

Angelina Weinbender:

Und danach ist hier noch ne ….
Vielleicht erstmal Dagmar,
weil sie noch gar nicht.
Und danach gerne nochmal ….

Dagmar:

Okay.
Also die Frage geht auch an dich, meine,
dieses Zentralinstitut für seelische Grausamkeit,
wie ich es immer nenne,
wo sich wirklich eine Blutspur durchzieht.
Das kannst du gar nicht zurückverfolgen.
Die sind gerade dabei in Massen,
aber wirklich Massen.
Ich weiß das von meiner Arbeit,
weil wir das Schulungsmaterial schicken,
sogenannte MFHA,
Ersthelfer auszubilden in Eigenregie.
Das wird auch uns nahegelegt.
Wir Beschäftigten der ATW.
Ersthilfe für psychische Krisen.
Das sind hauptsächlich Studentinnen,
die das bis jetzt machen.
Und wir Beschäftigte der ATW,
haben das auch nahegelegt gekriegt, zu machen.
Was hältst du davon
wenn so eine verrufene Institution
noch ausbildet?
Und kommt dabei was drumrum.
Ich sehe das nicht.

Carina Kebbel:

Also die Frage ist, was sind die Schulungsinhalte?
Da müsste ich mehr dazu wissen,
um dazu eine Meinung haben zu können.
Ich habe irgendwann schon mal was gehört
von diesem Erste Hilfe für psychische Krisen.
Mir greift es persönlich zu kurz,
weil, wie gesagt, jede Krise ist anders,
jeder Mensch ist anders und diese Annahme
man könnte da so ein Ersthilfekurs zu machen,
wie wenn jemand nicht mehr atmet,
dass die Atmung wieder frei werden kann
oder nicht zusätzlich behindert wird.
So simpel ist es nicht.
Das ist ein sehr reduziertes medizinisches Verständnis,
was dahinter steht,
was nicht meinem Verständnis von Menschen mit Krisen entspricht.
Also ich glaube, das ist wieder so eine symbolträchtige Geschichte,
die wahrscheinlich sehr viel kostet
und sehr wenig bringt für die Menschen, um die es geht.

Die Notwendigkeit der Solidarität

Angelina Weinbender:

Chana

Chana:

Die Mutter von Sammy Baker, die hat in Niederlande
wurde ihr Sohn in einer psychischen Krise erschossen
und die hat gesagt, es gibt diese Richtlinien beispielsweise
in Niederlande, die sehen auch ganz okay aus,
erst mal sozusagen auf den ersten Blick,
aber es wurde nicht angewendet.
Überhaupt nicht.
Und die andere Idee wäre,
dass vielleicht mit einer Anfrage von den Politiker*innen oder so
kann man das sicher vielleicht auch klären,
was die Richtlinien wären.

Angelina Weinbender:

Antonia, hattest du nicht eine Anfrage
an die Landesregierung geschickt
in Bezug auf was da in Sachen Polizei
und wie das in der Ausbildung ist oder nicht?
Aber da war, glaube ich,

Antonia Paponja:

ich kann mir so Politiker-Sprech sehr schwer merken.

Dr. Sevda Can Arslan:

Genau, da kam irgend ein Brief zurück.
Aber im Prinzip, also aus unserer Erfahrung der letzten 2 Jahre,
kann man sagen, dass aus der Politik eigentlich
keine ausreichenden Reaktionen waren.
Man kann hier sehen, wenn der Fall anders gelagert ist,
wenn jemand getötet wird von der Polizei,
dann kommen sehr viele Reaktionen durch die Politik.
Genau, das war jetzt hier nicht so.
Und ich glaube, das berührt auch ein bisschen den Punkt,
den du vorhin gesagt hast,
mit dem wie soll man diese Macht begegnen.
Und vorhin haben wir es auch gehört,
das ist ein langer Weg.
Es ist einfach ein sehr langer Weg,
die ganze Gesellschaft, die ganzen Institutionen
immer wieder zu konfrontieren,
das Gedenken aufrecht zu erhalten,
gleichzeitig noch aufzuklären
und zu verstehen, was ist da jetzt eigentlich,
ihr habt es ja eben auch gemerkt,
voll viele Punkte waren uns selber auch noch nicht so ganz klar,
was ist da jetzt eigentlich genau passiert
und warum ist das jetzt eigentlich so passiert.
Also das aufzuklären, das Gedenken aufrecht zu erhalten
und dann dazu, dafür zu kämpfen
und erfolgreich damit zu sein,
dass sich strukturell was ändert,
das ist einfach unglaublich viel Arbeit.
Aber die, also muss jetzt einfach gemacht werden.
Und vor allen Dingen, also was ich als ein großes Potenzial sehe,
auch wenn es blöd klingt,
aber eine von fünf Personen ist einmal in ihrem Leben
selber von einer psychischen Krise oder so betroffen.
Das heißt, es sind so einfach ziemlich viele Menschen,
die früher oder später sich damit auseinandersetzen müssen,
viele auch mit den Menschen in ihrem Umfeld.
Das heißt, es betrifft, also es gibt unglaublich viele Menschen,
die das betrifft in diesem Land und das wird
auf jeden Fall aufgrund der sonstigen Krisen
und gesellschaftlichen Situationen,
aufgrund der Prekarität von vielen Menschen,
aufgrund von Armut, Rassismus, Patriarchat
und diesen ganzen schrecklichen Dingen,
es wird immer mehr werden.
Das heißt, wir müssen uns jetzt irgendwie damit konfrontieren,
wir müssen da jetzt irgendwas ändern.
Und ich glaube, die einzige Art immer ist,
wie alle anderen Errungenschaften in unserer Gesellschaft
auch zustande gekommen sind,
wenn wir solidarisch sind, in dem wir uns organisieren
und in dem wir eine Gegenmacht aufbauen.

Angelina Weinbender:

Ja, bitte.

Carina Kebbel:

Ja, und ich glaube, indem wir irgendwelche Sachen
auch immer kritisch hinterfragen und reflektieren.
Also ich habe jetzt gerade im Chat gelesen,
dass jemand geschrieben hat, ich habe tatsächlich
an so einem Kurs teilgenommen, an so einem ersten Hilfekurs
und es wird tatsächlich dazu aufgerufen,
in akuten Krisensituationen die Polizei zu rufen,
weil die dann helfen würden.
Also man muss natürlich vielleicht auch wirklich gucken,
gegen Narrative und sozusagen,
ja, drauf hinwirken,
dass nicht alles, was irgendwie verbreitet wird,
auch die Wahrheit ist.
Ja, da so ein bisschen Kompetenz entwickeln
und ja, ich weiß nicht,
das macht mich gerade sehr betroffen,
wenn ich sowas lese.

Schluss

Angelina Weinbender:

Gibt es noch weitere Fragen?
Ansonsten würde ich tatsächlich angesichts der hohen Temperaturen
und der stickigen Luft, mittlerweile wird es spürbar,
mich bei Antonia, bei Sevda und bei Carina ganz herzlich bedanken.
Vielen Dank, dass ihr heute da wart.

Dr. Sevda Can Arslan:

Und ein großes Dank an die ganzen Technikaufbau,
die ganze Struktur, das war richtig viel Arbeit heute.

Angelina Weinbender:

An das Awareness-Team.
Ja, danke auch, dass ihr alle so zahlreich erschien seid
und mitdiskutiert habt.
Ich hoffe, das war nicht unsere letzte Veranstaltung
und dass wir das Thema hier in Mannheim
und darüber hinaus aufrechterhalten
und uns gegenseitig solidarisch stützen
und nicht im Stich lassen.
Danke euch.