Große Mahnwache am 14. Januar 2024
Marktplatz
Rede Initiative 2. Mai
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Hi Alle, mein Name ist Claudia und ich werde jetzt die Rede der Initiative 2. Mai halten
Am 2. Mai 2022 töteten zwei Mannheimer Polizisten an diesem Ort Ante P. Zum Zeitpunkt seines Todes befand Ante sich in einer psychischen Ausnahmesituation. Nachdem er sich im Zuge dessen aus dem ZI entfernte, wo er einen Termin gehabt hatte, wurden zwei Polizisten hinzugezogen. Diese sprühten zunächst mit Pfefferspray, brachten ihn dann zu Boden und schlugen auf ihn ein, bis er sich nicht mehr regte.
Über anderthalb Jahre nach Antes Tod stehen wir hier immer noch voller Fassungslosigkeit und voller Trauer. Wir stehen hier aber auch voller Wut. Wut darüber, dass ein Mensch aus seinem Leben gerissen wurde. Wut auf die brutale Gewalt einer Staatsmacht, die am 2. Mai hier an diesem Ort getötet hat. Wut auch, weil Antes Tod kein Einzelfall ist. So gibt es Schätzungen, dass 75% aller Opfer tödlicher Polizeigewalt sich zum Zeitpunkt ihrer Tötung in einer psychischen Ausnahmesituation befunden haben.
Heute sind wir hier, weil am vergangenen Freitag vor dem Mannheimer Amtsgericht der Prozess gegen die beiden Polizisten begonnen hat, die Ante am 2. Mai 2022 getötet haben. In anderen Fällen erleben wir immer wieder, dass Ermittlungen gegen Polizisten nicht konsequent geführt werden oder dass Gerichte ihrer Verteidigung allzu leicht Glauben schenken. Häufig wird Polizeigewalt totgeschwiegen und gegenüber Betroffenen eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben. Auch in Mannheim waren solche Reaktionen nach Antes Tod zu hören: So äußerte der Mannheimer Polizeipräsident Kollmer in seinem Statement deutlich lautstärker Befürchtungen vor möglichen Anfeindungen gegen seine brutale Polizei als Mitgefühl oder auch nur Wille zur Aufklärung für deren Betroffene. Demgegenüber ist es an uns, ein kritisches Auge darauf zu haben, wie der Prozess in Mannheim geführt werden wird. Wir werden nicht zulassen, dass die tödliche Gewalt der Mannheimer Polizei unsichtbar gemacht wird. Wir wollen, dass aufgearbeitet wird, das ein Mensch in einer psychischen Ausnahmesituation von dieser Gewalt betroffen war. In ihrer schweren Aufgabe als Nebenklage wollen wir Antes Angehörige unterstützen. Wir fordern Gerechtigkeit für Ante und Konsequenzen für die, die ihn getötet haben!
Egal was das Gericht entscheidet, das geschehene Unrecht wird es nicht wieder gut machen können, einen gewaltsamen Tod nicht zurücknehmen können. Ebensowenig wird ein Gerichtsurteil für sich in der Lage sein, der Gewalt der Polizei Einhalt zu gebieten. Denn diese Gewalt ist kein Fehler, der sich einfach korrigieren lässt. Diese Gewalt hat System. Die Gewalt der Polizei richtet sich vor allem gegen Menschen, die von Diskriminierung und Unterdrückung betroffen sind, weil sie - wie Ante - einen Migrationshintergrund oder psychische Probleme haben. Sie geht einerseits aus der zutiefst reaktionären Strukturen der Polizei hervor, andererseits auch aus ihrer Aufgabe, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu erhalten, wie sie sind. Wenn wir das Problem der Polizeigewalt angehen wollen, müssen wir uns also überlegen, wie wir solidarische Gemeinschaften stärken und die Institution Polizei schwächen können. Das bedeutet, dass die Menschen, auf deren Probleme heute mit Polizeiknüppeln geantwortet wird, eine ganz andere Form der Unterstützung erhalten, dass wir auf ein Zusammenleben ohne Ausbeutung und Unterdrückung hinarbeiten anstatt die Aufrechterhaltung letzterer durch die Gewalt der Polizei hinzunehmen. Dass hier - besonders in Mannheim - auch der Tod von Ante zu keinem Umdenken geführt hat, mussten wir nicht zuletzt erst am 23.12. erleben, als Mannheimer Polizisten auf der Schönau Ertekin erschossen, der sich ebenfalls in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Auch er bleibt unvergessen!
Anstatt die Polizei mit immer neuen Waffen auszurüsten und ihr immer weitere Befugnisse einzuräumen, müssen wir also auf den Aufbau einer Sicherheit hinarbeiten, die mehr ist als reine Gewalt. Das ist kein einfaches Ziel. Doch das Gedenken an Ante gebietet uns, dafür zu sorgen, dass die Gewalt, der er zum Opfer fiel, endlich ein Ende findet. "Ich will einen Richter", das waren Antes letzte Worte. Nun wird sein Tod vor einem Gericht verhandelt, doch das Unrecht der Polizeigewalt, die ihn getötet hat, wird das noch nicht aufhalten. Also stehen wir weiter hier, kämpfen weiter, gegen die Polizeigewalt, gegen den Tod, für eine Welt ohne Angst und ohne Polizei.
Danke für eure Aufmerksamkeit
Wir würden jetzt gleich noch einen Redebeitrag hören, der kommt von Emrah von der Schönau und ich denke er wird nochmal was zu Ertekin sagen.
Rede Mannheim sagt Ja
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Hallo schön, dass ihr alle da seid. Was will ich den sagen, Was kann ich den sagen. Wir hatten auf der Schönau wie auf dem Marktplatz einen Menschen, der in Not war, der Hilfe gebraucht hat. Wir haben auch in der ersten Gerichtsverhandlung auch gesehen gehabt, dass von Ante P. absolut keine Gefahr ausging. Er lief die Straße hoch, verwirrt und und Angst. Der Arzt hat die Polizei geholt, damit sie helfen soll. Was haben die gemacht? Zuerst haben sie Ante P. mit dem Pfefferspray attackiert. Dann eine Faust. Ihn dann runtergeholt und weiter auf ihn eingeschlagen, bis es keine Regungen mehr gab. Einer der Zeugen hat am Gerichtstag gesagt gehabt, dass Ante schon blau angelaufen war, als sein Gesicht abgewaschen war. Eine Wiederbelebung. Man hat Ante P. eigentlich hier mit den Fäusten leider umgebracht. Die Polizei muss sich zur Verantwortung ziehen! Aber wenn ich mir so von der GDP, von Mohr hier, Vertreter der Mannheimer Polizei mal seine Postings lese, welche rassistischen Kommentare er da geduldet, dann weiß ich auch, in welche Richtung die Mannheimer Polizei hier geht. Wir fordern hier nicht nur eine Aufklärung, wie das hier passiert ist. Wir fordern auch, wie das auf der Schönau passiert ist und wieso solche Kommentare auf einer offiziellen Seite der Polizei toleriert werden. Es kann nicht sein, dass darunter noch geschrieben wird: Wir wünschen der Kollegen viel Erfolg und einen neutralen Richter, der nicht vor Muslimen und Muselmanen niederkniet. Auf all das erwarte ich hier eine Antwort. Auch ich denke ihr erwartet eien Antwort. Ich drücke nochmal mein Gefühl der Familie aus. Auch der von ERtekin mit der ich betroffen bin.Viel ist nicht mehr zu sagen. Ich hoffe, die beiden Polizisten bekommen vor Gericht ihre Gerecht Strafe.
Verlesung der Ausstellungstafel „Am liebsten hörte er Queen
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Ja, Der nächste Beitrag wird jetzt eine Tafel sein, die aus der Ausstellung der Initiative 2. Mai auch kommt. Falls ihr es noch nicht mitbekommen habt, wir haben verschiedene Ausstellungstafeln erstellt und die jetzt anlässlich zum Gerichtsprozess auch zum ersten Mal analog. Wenn ihr möchtet, könnt ihr euch welche mitnehmen. wir haben welche hier und ich werde die Tafel vorlesen in der es um Antes Leben geht.
Am liebsten hörte er Queen
Er hatte eine psychische Erkrankung, seit 33 Jahren. Lebt selbständig in einer eigenen Wohnung und war bei der Arbeitstherapeutischen Werkstatt ATW beschäftigt und betreut. So erzählen es Menschen aus seinem nahen Umfeld.
Die Mutter war in den frühen 90er Jahren aus Jugoslawien gekommen. Eine der vielen auf deren Wohlstand sich dieses Land gründet. Ihr Mann bekommt keine Arbeitserlaubnis. Familiennachzug ja, das musste sein, aber ihren Mann musste sie noch miternähren von ihrer Schneiderinnenarbeit in der Firma, zwei Kinder und ihren Mann. Als der Sohn Ante erkrankte war er noch ein Jugendlicher. Er musste sich oft hinlegen. Etwas war zu viel, zu unruhig. Sie kümmern sich. Ante wird medikamentös eingestellt, wie man so sagt. Das Zentralinstitut für seelische Gesundheit macht das. An jenem Montag, den 2. Mai 2022 sucht Ante P. das Gericht auf. Er will seinen Arzt sprechen, der ihm seit einen Jahr ambulant betreutund mit dem er sich gut versteht. „Der hört mir das erste mal zu“ habe er gesagt und er ist froh, dass ihn dieser Arzt jetzt betreut. Ein junger Arzt. Er hat ihn besser gefunden, als die Ärzte die er davor gehabt hatte. Er hatte Vertrauen zu ihm. Seiner Arbeitskollegin erzählte er vom geplante Besuch, dass sie die Einstellung der Medikamente nicht mehr hinkriegten.
Bericht vom 1. Prozesstag
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Wie auch schon angekündigt, Es gibt auch einen kleinen Bericht vom ersten Prozesstag. wir haben gerade noch ein bisschen Zeit, deswegen werde ich den jetzt noch vorlesen. Wie manche von euch schon sicherlich wissen, haben wir als Initiative eine kritische Prozessbegleitung organisiert, die immer mitschreiben und dazu beitragen, dass es eine unabhängige Auswertung des Gerichtsprozesses geben wird und einen kurzen Bericht vom ersten Tag werde ich jetzt vorlesen.
Am Freitag, den 12. 1 begann der Prozess gegen die zwei Polizeibeamten in Folge deren Einsatz am 2. Mai 2022 Ante P. verstarb. Von Anfang an war der Prozess von einer enormen Polizeipräsenz geprägt. Zuschauer*innen mussten zwei Einlasskontrollen passieren, Ausweise gescannt und geprüft. Das Mitführen von Taschen und technischen Geräten war nur der Presse erlaubt. Auch im Saal selbst befanden sich viele Polizist*innen. Viele davon in Zivil in der Zuschauerbank. Die Angeklagten wirkten gefasst und selbstsicher. Der Hauptangeklagte sprach in seiner Einlassung zu Beginn des Prozesses von bedauern und sagt, er möchte dafür einstehen, falls er etwas falsches getan haben sollte. Vom zweiten Angeklagten war außer der Angabe zu Personendaten nichts zu holen. Schon von Anfang an machten die Anwält*innen klar, dass sie auf Angriffskurs fahren werden. Zu Beginn des Prozesses wurden drei Beweisanträge gestellt, die durch die Ladung von zusätzlichen Gutachter*innen die Einschätzung der Gerichtsmedizin anfechten sollen. Demnach sei nachzuweisen, dass Ante P. nicht an Erstickung sondern an Herversagen aufgrund von Vorerkrankungen verstorben sei. Inwiefern diese Beweisanträge die Angeklagten von der Tatsache entlasten sollen, dass sie in ihrem Einsatz mit unverhältnismäßiger und unnötiger Gewalt agierten, die zum zum Tod von Ante P. führte, bleibt offen. In einem weiteren Beweiantrag versuchte die Verteidigung sogar den gesamten Prozess an einem angeblichen Verfahrensfehler scheitern zu lassen, welchem die Staatsanwaltschaft kurz und entschieden widersprach. Allgemein fuhr die Verteidigung bei der Befragung der geladenen Zeug*innen eine sehr aggressive und auf Einschüchterung basierende Taktik. Das Vokabular der Verteidigung entmenschlichte Ante P. fortwährend. So wird zum Beispiel von Gasaustausch statt von Atmung gesprochen. Zwei Zeugen, die das Tatgeschehen miterlebt hatten, bestätigen dabei mehrfach, dass Ante P. nicht aggressiv oder gewalttätig war, sondern lediglich verwirrt und in Ruhe gelassen werden wollte. Er habe sich leicht gewehrt und die Beamten hätten viel zu Brutal reagiert. Der erste Prozesstag endet mit wenig ausschlaggebenden Momenten oder neuen Erkenntnissen. Klar ist, dass die Verteidigung auf Freispruch hinauswill und dabei wenig Anteilnahme oder Mitgefühl mit den Angehörigen übrig hat. Diese müssen sich Vewreise auf das Übergewicht des Verstorbenen anhören und einen mit Dienstwaffe erscheinenden Zeugen ertragen ohne dass ein Wort des Mitgefühls von der Verteidung ohne dass ein Wort des Mitgefühls von den Angeklagten oder der Verteidigung fällt.
Ich werde jetzt noch das dritte Lied, dass die Kolleg*innen von Ante ausgesucht haben, abspielen und dann werden wir so langsam die Schweigeminute abhalten. Gerade dieses Lied haben sie sich explizit gewünscht und wollten nochmal darauf hinweisen, dass sie, die Ante kannten, nicht makaber ist. Es ist nämlich „The Show must go on“.
Verlesung der Ausstellungstafel „Wie gefährlich ist es in einer psychischen Ausnahmesituation zu sein?“
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Ich werde jetzt noch eine weitere Tafel aus unserer Ausstellung vorlesen und dann werde ich eine Schweigeminute ankündigen. Wir haben jetzt noch ungefähr 5 Minuten bis dahin.
Wie gefährlich ist es, in einer psychischen Ausnahmesituation zu sein?
Es gibt keine Statistik darüber, wie häufig Menschen in psychischen Ausnahmesituationen von der Polizei getötet werden oder wie häufig sie Polizeigewalt überleben. Death in Custody, Copservation und Cilip sammeln Fälle von tödlicher Polizeigewalt, können aber keine vollständigen Statistiken liefern. Offiziell wird nur gezählt, wie viele Leute von der Polizei erschossen werden. Über andere Formen tödlicher Polizeigewalt gibt es keine offiziellen Zahlen. Nach Recherchen der SZ waren seit 2010 63 von 133, also 47%, der Opfer von tödlichen Polizeischüssen in einer psychischen Ausnahmesituation. Fälle wie der von Ante fallen nicht unter diese Statistik, da nicht geschossen wurde. In sieben weiteren Fällen standen die Opfer unter Alkohol oder Drogeneinfluss. Cilip zählt zwischen 1976 und 2010 34 weitere Opfer in psychischen Ausnahmesituationen. In diesem Zeitraum 10% aller Fälle. 9 weitere standen möglicherweise unter Alkohol und Drogeneinfluss. Nach Sammy Bakers Tod gab es eine Studie in den Niederlanden. 84% der Toten nach Polizeikontakt zwischen 2016 und 2020 zeigten verwirrtes Verhalten. Sammy Baker wurde am 13. August 2021 zwei Tage nach seinem 23 Geburtstag von der Amsterdamer Polizei erschossen. Zum Zeitpunkt seines Todes befand er sich in einer psychischen Ausnahmesituation. Bis heute konnten die Umstände seines Todes nicht vollständig aufgeklärt werden. Der Kriminologe Thomas Feltes schätzt, dass ich 75% der Opfer tödlicher Polizeigewalt in einer psychischen Ausnahmesituation befunden haben.